Freitag, 1. April 2016

Irrationales Gutmenschentum -- Noch einmal zur Flüchtlings- und Migrantenkrise der EU


Frau T., eine meiner Leserinnen schrieb:

"Wir haben, was die Fluchtbewegungen von Süd nach Nord betrifft, aber möglicherweise eine unterschiedliche Haltung!
    Dabei kann ich Ihnen versichern: Ich habe mich zeitlebens für die armen Länder und die Menschen in und aus armen Ländern engagiert. Und deshalb sage ich seit 40 Jahren: Wir müssen lernen, weshalb immer mehr Menschen ausziehen, um unter größten Gefahren in die nördlichen Konsumparadiese zu kommen. Der klare Schluss für mich: MigrantInnen verlassen ihr Land letztlich wegen dem gewaltigen Reichtums- und Konsumgefälle und weil dort kaum Arbeitsplätze zu haben sind. Und sie kommen, genauso wie die Flüchtlinge, nach Europa, weil sie hier besser und länger und bequemer leben und weit mehr konsumieren können.
    Das ist verständlich - und kein Vorwurf! Aber diese Einwegmigration ist letztlich ein Teufelskreis und erlaubt dem reichen Norden eine Art Ablasshandel mit Flüchtlingen zu betreiben. Dabei nimmt die Ungleichentwicklung weiter massiv zu, es wird munter weitergewachsen am falschen Ort, und d a s   erst noch auf Kosten der armen Regionen und Menschen dieser Welt.
    M. E. geht es darum, dass die reichen Länder ihre Produktion und ihren Konsum, ihren Zugriff auf die globalen Ressourcen und ihren Ressourcenverbrauch massiv zurückbauen und dafür im Süden bzw. in den armen Ländern und Regionen eine Entwicklung fördern, die den dortigen Menschen ein wirtschaftliches, soziales, politisches System gestatten. Die derzeitigen Fluchtbewegungen wären eine Chance für dieses Umlernen.
    Es braucht einen Marshallplan für eine ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklung. Das könnte heissen: Flüchtlinge und Immigrierte sind nur noch auf Zeit hier. Sie können sich hier bilden, ausbilden, weiterbilden konnten, kehren aber nach ein paar Jahren in ihr Heimatland zurück - und zwar mit der  Unterstützung  der reichen Länder.
    Diese beginnen im Gegenzug - sukzessive und orientiert an einer sozialen Nachhaltigkeit, die nicht länger am Wachsen, sondern am Schrumpfen orientiert ist - ihren eigenen Konsum zu drosseln. Ich bin sicher, viele Menschen könnten, nach der persönlichen Begegnung mit den Menschen aus dem Süden, ein derartiges Projekt mittragen. N u r wird es weder von linker noch von liberaler Seite angestrebt.

Was meinen Sie dazu?"

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Ich antwortete:

17.– 31.03.2016

Liebe Frau T.,

vielen Dank für Ihre Mail. Sie haben mir auch früher geschrieben. Von daher weiß ich, dass Sie mit meinen Ansichten größtenteils einverstanden sind.
    Sie denken aber, bei den "Fluchtbewegungen" hätten wir möglicherweise eine unterschiedliche Haltung! Nein, gar nicht. Was Sie dazu in Ihrer Mail geschrieben haben, könnte ich gerne unterschreiben. Ich möchte allerdings ein paar Sachen klarstellen bzw. hinzufügen.

Ursachenanalyse

Wenn Sie meinen letzten Blog zu diesem Thema gelesen haben1, haben Sie gemerkt, dass ich auch von "prosperity gap" (Wohlstandsgefälle) als einer Hauptursache der gegenwärtigen Migrationskrise der EU gesprochen habe. Der Begriff bedeutet nicht Armut, sondern drückt den Wunsch nach mehr Wohlstand aus, nach einem besseren Leben als das Leben zu Hause. Das sagten nicht nur wirkliche Armutsflüchtlinge aus Afrika, sondern auch viele syrische, irakische und afghanische Kriegsflüchtlinge, die nach Europa gekommen sind, statt in einem Nachbarland Schutz zu suchen. Sie haben ihr Auto und/oder Wohnung/Haus verkauft (sie hatten also all das), um die "Flucht" nach dem christlichen, größtenteils feindseligen, aber reichen Europa zu finanzieren. Sie haben alle Smart-Fons, haben/hatten auch Bargeld in der Tasche. Die echten Armen von diesen Ländern sieht man immer noch in den Slums und Dörfern von Afghanistan, in den Ruinen von Syrien und Irak oder in überfüllten Flüchtlingslagern in den muslimischen Nachbarstaaten. Auch ohne Krieg gab/gibt es ja in solchen Ländern Landflucht bzw. Migration in die Städte.
    Als ich in Indien in den frühen 1960er Jahren Deutsch lernte/studierte, waren manche meiner Kommilitonen Ingenieure und Techniker. In jenen Jahren gab es für solche Leute keinen Arbeitsplatzmangel. Denn das war in Indien eine Zeit von geplanten Entwicklungsbemühungen. Dennoch wollten manche von ihnen nach Deutschland gehen, weil damals die deutsche Wirtschaft boomte und dort Ingenieure und Techniker sehr viel mehr verdienten als in Indien. Außerdem war in Deutschland alles so viel besser und schöner.
    Die zweite Hauptursache, von der ich immer Rede, ist die Übervölkerung in vielen Ländern des Südens. In den 1960er Jahren lebten in Indien ca.500 Millionen, heute 1,3 Milliarden. In TV-Reportagen aus Afrika höre ich oft von konkreten Fällen. Hier zwei Beispiele: Ein pensionierter Beamter in Nigeria bekommt seit Monaten keinen Cent Pension von der Regierung. Wie solle er seine Familie – zwei Frauen und 18 Kindern – ernähren, fragt er den Reporter. Ein anderer nigerianischer Familienvater erzählt: Als das Boko Haram angriff, musste er fliehen. Da konnte er nur drei seiner 11 Kinder retten. Wo die anderen sind, weiß er nicht. Ähnliche echte Geschichten hört man auch in Reportagen über Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten. Da hört man oft von 6 oder 7 Kindern einer Familie. Kein Europäer wagt es, diese Ursache des Problems auch nur zu erwähnen. Das ist in liberalen, linken und feministischen Kreisen ein Tabuthema. Sie haben Angst, dass sie, wenn sie davon reden, als Imperialisten oder Rechtsradikale beschimpft würden.2
    Die dritte Hauptursache ist, dass die Zeiten der nachholenden Entwicklung vorbei sind. Sie sehen ja, selbst Chinas Wirtschaft leidet an Rezession. Industriearbeiter werden massenweise entlassen, sogar von staatlichen Unternehmen. Früher wurden unzählige Arbeitsplätze von Europa und Nordamerika in aufstrebende Entwicklungsländer wie China, Indien, Mexico usw. ausgelagert. Das war das Geheimnis des starken Wirtschaftswachstums in diesen Ländern. Heute ist dieser Prozess fast zu Ende. Obwohl die indische Wirtschaft derzeit ansehnlich wächst, kann sie nicht genug neue durchschnittliche Arbeitsplätze für die 17 Millionen neuen Menschen schaffen, die jährlich auf den Arbeitsmarkt kommen.
    Und im Kapitalismus – das ist die vierte Hauptursache – ist echte Umverteilung von oben nach unten und vom Norden nach Süden nahezu unmöglich, zumal die westlichen Wirtschaften seit Jahren stagnieren. Das wissen Sie wie ich und die sonstigen Linken.

Was ist aber die Lösung? Und Was Soll Man Heute Noch Tun?

Soweit die Ursachenanalyse. Was ist aber die Lösung? Seit dem Sommer des letzten Jahres ist viel geschehen und die regierenden Politiker der EU haben vieles getan und unterlassen. Was sie heute noch konkret tun oder unterlassen sollten, das müsste – falls sie überhaupt bereit und in der Lage sind, noch etwas zu tun, – ihnen überlassen bleiben. Denn sie haben einen besseren Überblick darüber als irgendjemand sonst, was überhaupt möglich oder unmöglich ist, und auch darüber, wie viel Flüchtlingshilfe und wie viele Fremde sie ihrem Volk zumuten können und im Interesse ihrer Nation liegen. Aber Allgemeines darüber, was mittel- und langfristig getan werden müsste, sollten auch Ausländer sagen dürfen. Denn das ist eine Sache, die die gesamte Menschheit betrifft.
    Auf diese Frage geben Sie leider gegenwärtig unrealistische Antworten. Sie schreiben von der Notwendigkeit von Wirtschaftsschrumpfung und Konsumdrosselung im Norden etc. Das schreibe ich auch, aber in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich in Zusammenhang mit der Ökologie- und Ressourcenkrise. Und ich denke, das ist nur mittelfristig möglich. So viel Erfolg bei unserer Bewusstseinsbildungsarbeit – wie es nötig wäre, um den Prozess auch nur zu beginnen – haben wir Ökos noch nicht erreicht. Ja, unser Erfolg dabei ist fast null. Die Flüchtlings- und Migrantenkrise der EU (und der Welt) ist aber eine aktuelle Krise. Sie muss dringend, bald, gelöst werden. Sonst ergreifen die Neo-Faschisten überall, auch in Europa, die Macht.
    Was kann also heute realiter gemacht, vielmehr begonnen, werden, schon im Rahmen des Kapitalismus? Den zu überwinden, ist ja bestenfalls auch ein mittelfristiges Projekt. Sie reden von einem Marshallplan, Entwicklungshilfe für den Süden, wo die Flüchtlinge und Immigranten herkommen. Ja, ein bisschen Marshallplan ist realistisch, kann schnell mobilisiert werden, solange die europäischen und nordamerikanischen Länder noch reich sind. Beispiel: das EU-Türkei-Deal. Aber es wird nie genug mobilisiert werden können, um alle armen Länder der Welt soweit zu entwickeln, dass ihre ärmeren Bürger auf der Suche nach einem besseren Leben nicht mehr an Emigration nach Europa, USA oder Kanada denken würden. Selbst in seinen Boom-Jahren hat Deutschland, das viertreichste Land der Welt, nicht genug Geld für Entwicklungshilfe aufbringen können, um das UNO-Ziel von 0,7 Prozent des BIP zu erreichen.
    Wenn das wenige, mühsam mobilisierte Geld nicht in einen bodenlosen Topf gegossen werden soll, dann muss die Hilfe mit der Bedingung geknüpft werden, dass sie für starke, von den westlichen Hilfeleistenden selbst kontrollierte Projekte zur Drosselung des Bevölkerungswachstums in den betreffenden Ländern verwendet wird. Im Zeitalter der sich verschlimmernden multiplen Krisen – Wirtschaftskrise, Ökologiekrise, Erderwärmung, Klimakatastrophen, sozialen Unruhen, Bürgerkriege, politischen Krisen etc. – müssen wir Abschied nehmen von der verführenden Illusion von Wirtschaftsentwicklung. Es geht heute in vielen Teilen der Welt in erster Linie um bloßes Überleben. Die westlichen Hilfeleistenden dürfen bei ihrer Kontrolleurrolle durch keine politische Korrektheit gebremst werden. Sie sollen keine Angst davor haben, als Imperialisten beschimpft zu werden.
    Mir wurde oft vorgeworfen, dass ich immer vom Bevölkerungswachstum als einem großen Problem rede, als gäbe es kein anderes großes Problem, und als hätte ich kein anderes Ziel, als Bevölkerungswachstum zu stoppen. Das ist nur eine halbe Wahrheit. Ich habe auch andere große Ziele im Kopf. Aber ich bin davon überzeugt, was Paul Ehrlich einmal so ausdrückte: "whatever your cause, it is a lost cause unless we control population [growth]" (auf Deutsch: Was eure Sache auch sein mag, das ist eine verlorene Sache, wenn wir das Bevölkerungswachstum nicht kontrollieren). Er richtete diesen Satz an seine linken Kritiker.3
    Und bitte kein naives Gutmenschentum! Ja, ihrer moralischen und internationalen Pflicht müssen die Deutschen/Westler nachkommen. Aber bitte keine "Willkommenskultur", kein euphorisches Beifallklatschen, keine Parolen wie "Refugees Welcome", wo doch alle genau wissen, dass der größere Teil der so Willkommen-geheißenen bald von ihrer demokratisch gewählten Regierung abgeschoben werden würden, notfalls mit Polizeigewalt. Das sieht auch sehr schlecht aus, dieses Pseudo-Willkommen. Dass Frauen, Alten, Kindern und Kranken in Not Schutz gegeben wird, das gehört zur moralischen Pflicht. Das ist keine Sache, die Euphorie auslösen sollte. Oder sollen wir uns sagen: "Oh, wie wunderbar, so viele Leute sind in Not!"? Aber ich habe auch nüchterne deutsche/europäische Stimmen vernommen, in denen Kritiker sinngemäß fragen: wieso müssen stark gebaute, gut ernährte, wehrtüchtige, junge Männer, die eigentlich für den Schutz ihres Volkes und Vaterlands gegen die IS-, Al-Kaida- und Taliban-Barbaren oder auch gegen das diktatorische Assad-Regime kämpfen müssten, als Flüchtlinge willkommen geheißen und geschützt werden? Ein Kritiker fand es absurd, dass solche Flüchtlinge mit Beifall und Geschenken empfangen wurden, während deutsche Männer nach Syrien, Irak und Afghanistan reisen, um dort für bzw. gegen die Dschihadisten zu kämpfen.
    "Alle Grenzen abschaffen", "Menschenrecht auf freie Bewegung", "kein Mensch ist illegal", "unsere christlichen Werte" – all das Gerede ist unsinnig, ja absurd. Sie sind auch nutzlos. Man sieht doch, wie schnell die Willkommenskultur verflogen ist, wie schnell sie einer verbreiteten Angst vor Überfremdung gewichen ist. Beispiel: die letzten drei Landtagswahlen im Musterland der Willkommenskultur! Jetzt müssen auch die Immigranten Angst haben vor Faschisten.

Der Gute Mensch von Germany

Schon seit Beginn der aktuellen Krise geht mir ein Bühnenstück von Brecht durch den Kopf: Der Gute Mensch von Sitschuan. Frau Merkel gleicht jetzt der Hauptprotagonistin des Stückes, die von Charakter her ein guter, hilfsbereiter Mensch war, sich aber unter dem Druck der Umstände in der realen Welt zu einem hartherzigen Menschen verwandeln musste.
    Gutmenschentum ist gut, ist aber keine Lösung eines Grundproblems globalen Ausmaßes. Zu welch verkehrten Ansichten und Verhalten naives Gutmenschentum führt, möchte ich mit zwei Beispielen verdeutlichen. Ich habe einmal ein Interview gelesen, in dem ein Gutmenschprofessor, der Armutsberichte schreibt, sagt, es gebe genug Nahrung in der Welt für 12 Milliarden Menschen. Oberflächlich gesehen, könnte das stimmen. Wenn man die gesamte Weltnahrungsmittelproduktion durch 12 Milliarden dividiert, gäbe es wohl genug Nahrung für alle Menschen. Aber ist es realistisch anzunehmen, dass die Farmer (oder Agrokonzerne) der Überschuss produzierenden Länder ihr Geld und Arbeit (inklusive der Arbeit von ihren Arbeitern) investieren, um dann das Produkt einfach an die Armen der Welt zu verschenken? Sie würden gerne den Weizen etc. verkaufen. Aber wo sollen die Armen das Geld herholen, um den zu kaufen? Richtige Arithmetik, aber absurde Aussage!
    Ähnliches sagen manche linke PublizistInnen, Filmemacher, NGO-FührerInnen etc. Sie sagen sinngemäß, weltweit sinkt langsam die Bevölkerungswachstumsrate, also ist Bevölkerungswachstum kein Problem. Man solle also gegen den Kapitalismus kämpfen, und gegen imperialistische Ausbeutung, für eine gerechte Verteilung und für nachhaltige Entwicklung etc.etc. Wie verkehrt so ein Argument ist, versteht man, wenn man statt nur auf die, in der Tat, allmählich sinkende Wachstumsrate, sondern auch auf die absolute Wachstumszahl schaut. In Indien z.B. wächst die Bevölkerung immer noch jährlich um 17 Millionen. Was die absolute Zahl betrifft, wird Indien bald China überholen. Also werden da über 1,4 Milliarden Menschen leben bei einer Gesamtfläche, die etwa ein Drittel der von Brasilien oder der USA beträgt.
    Was die aktuelle Krise betrifft, höre und lese ich fast jeden Tag seitens der Grünen und der Linken jede Menge Deutschland- und Merkel-bashing wegen ihrer jüngsten Versuche, die Zahl der Flüchtlinge bzw. Migranten mittels eines Deals mit dem Schurkenstaat Türkei zu begrenzen. Die Gutmenschen berufen sich auf das deutsche Grundgesetz, auf internationales Recht und auf das Prinzip der Einzelfallprüfung. Insbesondere berufen sie sich auf die christlichen Werte, auf die moralische Pflicht zur humanitären Hilfe für Arme und Leidende usw. Sie weisen darauf, dass Deutschland eines der reichsten Länder der Welt ist, dass Deutschland durch seine Waffenexporte an Saudi Arabien, die Türkei usw. die gegenwärtige Flüchtlingskrise mit verursacht (hat) usw. Alles richtig, beruht auf Fakten. Ich habe aber bis jetzt von diesen naiven Gutmenschen und ihren Organisationen und Parteien keine Antwort auf die Fragen gehört, (1) ob denn Deutschland alle die Hundertmillionen Armen und Leidenden der Welt aufnehmen und integrieren kann, 2) ob es moralisch richtig ist zu fordern, dass Deutschland nur denjenigen helfen soll, die ihre beschwerliche, durch Menschenschmuggler organisierte Reise nach Griechenland finanzieren konnten und körperlich stark genug sind (waren), die Haustür Deutschlands durchzubrechen, und (3) ob es moralisch richtig ist zu fordern, dass Deutschland nur solche Flüchtlinge und Facharbeiter-Migranten auf legalem Weg und mit sicheren Schiffen (gar Flugzeugen) nach Deutschland holen soll, nicht aber diejenigen, die in den elenden Flüchtlingslagern von Darfur, der Zentralafrikanischen Republik, dem Südsudan oder Dadaab (Kenia) vegetieren.
    Ich nehme an, jeder vernünftige Mensch auf diese Fragen mit Nein antworten wird. Wenn diese angenommene Antwort richtig ist, dann sollten vernünftige Menschen, aber auch Gutmenschen, sich für eine mittel- bis längerfristige Lösung des Problems engagieren, wie ich oben vorgeschlagen habe. Sie sollen dann die Lösung des aktuellen akuten Problems den Regierenden überlassen. Mit christlichen Werten kann kein Staat etwas anfangen, bestenfalls kann das nur eine kleine Kommune.

Der Gute Mensch vom Vatikan und der Gute Mensch der Bonner Republik

Wie absurd die Anwendung der christlichen Werte bei der Suche nach einer mittelfristigen Lösung der Flüchtlingskrise wirken würde, möchte ich an zwei Beispielen zeigen: (1) Vor einiger Zeit forderte der Papst Franziskus jede Kirche auf, je eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Derselbe Papst, Oberhaupt der katholischen Kirche, bleibt aber dabei, dass seinen Schafen der Gebrauch von Verhütungsmitteln verboten ist, wenn sie ihre Kinderzahl begrenzen wollen, was aber jeder Katholik missachtet. In seiner Osterbotschaft von diesem Jahr sagte er in Bezug auf "unerhörte Gewalt" von Terroristen, nur unendliche Barmherzigkeit könne die Menschheit vor Hass und Tod retten.4 Also nicht schießen auf die Terroristen.
    (2) Neulich besuchte der gute Katholik Norbert Blüm – sechzehn Jahre lang Sozialminister in den vier CDU-Regierungen von Kanzler Kohl – das wilde Flüchtlingsdorf in Idomeni (Griechenland) und schlief da eine Nacht in einem ähnlich kleinen Zelt wie denen der Flüchtlinge. Er wollte damit sicher ein Zeichen von Humanität, Solidarität und Gutem Samaritertum setzen. Derselbe Herr Blüm aber musste in den 1980er Jahren die Versuche von Kanzler Kohl mittragen, die wegen einer Rezession arbeitslos gewordenen türkischen Gastarbeiter nach Hause zu schicken. Und die Stationierung der gegen die Sowjetunion gerichteten amerikanischen Mittelstreckenraketen trug er auch mit.

Fazit

In einer real existierenden schlechten Welt kann keiner als ein richtig guter Mensch leben. Es gibt zurzeit keine gute schnelle Lösung des Flüchtlingsproblems der EU, nur eine schlechte, nämlich den IS militärisch zu schlagen. Also guter deutscher Mensch, da du – anders als die Russen, die Amis, und die Franzosen – partout nicht in den Krieg gegen den bösen IS ziehen willst, bleib auf dem Teppich! Und tue, was mittelfristig möglich ist und wirkt!

Literatur:

1. Siehe meinen Artikel The Refugee-Migrant Crisis of the EU – Its Deeper Causes und Messages
http://www.eco-socialist.blogspot.de/2015/11/the-refugee-migrant-crisis-of-eu-its.html.

2. Siehe meinen Artikel Polemics is Useless – A Proposal for an Eco-Socialist Synthesis in the Overpopulation Dispute
http://eco-socialist.blogspot.de/search?q=Polemics

3. Paul Ehrlich: quoted in Steve Weissman: "Foreword"; in:
Ronald L. Meek (ed.): Marx and Engels on the Population Bomb; Berkeley; The Ramparts Press; 1971; P.
XI.

4. Siehe Bericht in Süddeutscher Zeitung, Seite 5, 29.03.2016.

31.03.2016