Dienstag, 29. Mai 2012

Wer kümmert sich um unsere Schulden bei der Natur?

Spätestens seit Francois Hollande Präsident von Frankreich geworden ist, steht Medienberichten zufolge Frau Merkel, die Eiserne Lady mit ihrer strengen Sparpolitik, in der euro-amerikanischen Gemeinschaft ziemlich isoliert. Da diese Politik bisher keinen Erfolg gezeitigt hat, da, im Gegenteil, die Wirtschaften der EU-Länder weiter an Rezession bzw. Stagnation leiden und da außerdem einige der leidenden Völker Widerstand gegen diese Politik leisten, heißt es nun überall, zur Bewältigung der Krise genüge Sparen nicht. Die Wirtschaft müsse auch wachsen, damit der Staat mehr Steuer einnehmen könne. Sonst könne auch der Haushalt nicht saniert werden. Die Argumente der Gegner der Sparpolitik scheinen zu greifen. Da sie inzwischen auch einige für sie unangenehme Wahlergebnisse verkraften muss, zeigt sich Merkel ein bisschen kompromissbereit. Sie sagt: Wachstum ja, aber nicht auf Pump, denn das führe die EU zurück zu der Situation, in der die gegenwärtige Krise begann. Aber wie soll sonst wieder Wachstum bewirkt werden?.
Eine überzeugende Antwort auf diese Frage, habe ich bis jetzt nicht gehört. Die Wirtschaftspolitiker der Welt sind mit ihrem Latein am Ende. Kann es sein, dass es keine überzeugende Antwort auf diese Frage gibt? Da muss zuerst Klarheit über die Lage geschaffen werden..
Die EZB hat vor einiger Zeit eine riesige Menge neues Geld gedruckt – eine Billion Euro – und dieses ganz billig an europäische Banken geliehen. Diese haben mit dem Geld, wie es in den Medien heißt, zweierlei getan: (a) Sie haben neue Anleihen der Krisenländer gekauft, was von der EZB gewollt war. Wenn alles gut geht, werden die Banken mit diesem Geschäft sehr viel Profit machen. (b) Und sie haben das Geld gebunkert, damit sie bei Verschärfung der Bankenkrise den Bankrott abwenden können. Dieses neu gedruckte Geld ist, allgemein gesprochen, nicht in die Realwirtschaften der Krisenländer geflossen. Das ist das Geheimnis des Ausbleibens einer starken Inflation. Die Verbraucher wagen es nicht, einen Konsumentenkredit zu beantragen. Und Handel und Gewerbe haben Schwierigkeit, neue Kredite zu bekommen; die Banken haben Angst. Und auch das Geld, das die Krisenländer durch den Verkauf ihrer neuen Anleihen bekommen haben, ist nicht im Keynesschen Sinne ausgegeben worden. Die Regierungen haben mit diesem Geld nur die alten Schulden bedient. Wir sehen, trotz dieser riesigen Summe von neu gedrucktem Geld stagniert die Wirtschaft der EU, und eine neue Rezession ist prognostisiert worden. Wo soll also noch mehr Geld herkommen, das die Staaten in noch mehr Infrastrukturprojekte, in Bildung etc. investieren sollen, damit Arbeitsplätze entstehen? Steuererhöhung ist doch als Geldquelle ausgeschlossen!.
Ist es vielleicht so, dass kein Potential mehr für weiteres Wachstum existiert? In Spanien wurde kurz vor der Krise ein Flughafen gebaut, wo keine Maschine abflog. In Irland, Spanien und England wurden Häuser und Wohnungen gebaut, die wegen ihrer zu hohen Kosten keinen Käufer oder Mieter fanden. In der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indien ist wegen zu hohem Preis von Flugkerosin eine große Fluggesellschaft pleite gegangen. Auch um Löcher im Boden zu graben und sie wieder zuzuschütten, muss ein Staat Geld leihen, das er später nicht wird zurückzahlen können. Wie kann dann die Konjunktur wieder angekurbelt werden?.
Was mich sehr erstaunt, ist, dass jetzt auch die deutschen Grünen ins gleiche Horn stoßen wie Hollande und die deutschen Sozialdemokraten. Sie fordern einen Politikwechsel zur Wachstumsförderung. Dabei stand bei der Gründung ihrer Partei Wachstumskritik an der ersten Stelle ihrer Programmatik. Da war die Rede von sparsamem Umgang mit Ressourcen. Alles vergessen. Ökologie vergessen, zukünftige Generationen vergessen, Arme unterentwickelte Länder vergessen. Wachstum ist das neue Mantra der Grünen..
In der grünen Literatur der 1980er Jahre habe ich oft von "unseren Schulden bei der Natur" gelesen. Oft war auch die Rede davon, dass wir auf Kosten der künftigen Generationen leben. Wie sollen unsere Schulden bei der Natur reduziert werden, wenn wir immer mehr in Infrastrukturbau investieren? Solche Schulden steigen doch mit jeder solcher Investition..
Merkel ist keine Grüne, und sie will auch keine sein. Aber ihre Sparpolitik ist ein Stück echt grüne Politik, obwohl sie das nicht weiß. Ich wünsche ihr viel Erfolg dabei. Das Problem der Arbeitslosigkeit kann auch anders gelöst werden als durch Wachstum. Das ist in Deutschland vorexerziert worden. 2009, im schlimmsten Krisenjahr mit einer Rezession von -5%, wurde Kurzarbeit eingeführt, und so mussten viel weniger Arbeiter entlassen werden, als gefürchtet wurde. Dieses Beispiel könnte als eine generelle Arbeitsmarktpolitik adoptiert werden – in einer Zeit, in der die Grenzen des Wachstums spürbar geworden sind. Auch von Hollande könnte Merkel etwas übernehmen. Ihm folgend könnte sie ihr eigenes Gehalt und das ihrer MinisterkollegInnen um 30% kürzen. Das würde ihre Glaubwürdigkeit in Griechenland und Spanien verbessern.