von Jürgen Zenke
T. S. Eliot sagte einmal: Wenn die Welt untergeht, dann nicht mit einem Knall, sondern mit einem Winseln (whimper). Auch die Apokalypse kam in drei Raten, mit nicht genutzter Bedenkzeit dazwischen.
Krisen können den Kapitalismus nicht umbringen, weil Krisen essentiell zu ihm gehören, wie viele politische Theoretiker sagen. Er bleibt weiterhin erfolgreich, weil er keinen neuen Menschen braucht, wie ihn der Sozialismus proklamiert hat. Er arbeitet vielmehr mit dem alten Adam und seinen sieben Hauptsünden, d. h. er lebt von unseren niedrigsten Instinkten. Das macht ihn unschlagbar. Er reformiert sich sehr langsam und nur unter großem Leidensdruck, weil die reichen Länder alle Veränderungen als materiellen Abstieg fürchten müssen.
Er wird auch die ökologische Krise überleben mit Hilfe von green-washing, so wie es seit längerem auch die Grünen und ihre Wähler betreiben, die ihren zerstörerischen Lebensstil beibehalten und sich lieber mit Geld und neuer Technik (E-Autos usw.) freikaufen wollen, – Ablasshandel wie zu Luthers Zeiten. Verantwortung für die kommenden Generationen? „Wieso? Was tun die denn für mich? Außerdem geht es Kindern und Enkeln materiell besser als jemals zuvor!“
Wenn fossile und andere Rohstoffe zu Ende gehen, werden sie langsam (!) für immer mehr Menschen unbezahlbar. Dann beginnt Schritt für Schritt der Entzug: Zunächst bei den Armen, anschließend auch beim Mittelstand, dessen Entzug beschleunigt wird, falls ihm die Armen erhebliche Ausgleichszahlungen abtrotzen. Es ist eben so: Viele wollen zurück zur Natur, aber nicht zu Fuß.
Übrigens scheitern alle technischen Lösungen ohne den energischen Willen zur Änderung unseres Lebensstils auch an dem weithin unbemerkten Rebound-Effekt. Bio-Kerosin ist dann z. B. ein Alibi für noch mehr Fliegerei, mit Ökostrom kann ich noch mehr Einfrieren, Warmduschen, im Internet surfen etc., – glaubt jeder unbewusst. Sparsamkeit ist einfach außerhalb Schwabens unsexy.
Wer ist nun der Schurke in diesem Film?
In meiner Ökobank-Gruppe gibt es immer Protest, wenn ich sage: Umweltschädigung nimmt proportional zum Einkommen zu. Arme Leute leben immer nachhaltig, soweit das Menschen möglich ist. Da Wohlstand in allen Kulturen träge macht, ist von den Mittelschichten wenig zu erwarten. Sie werden ihren komfortablen Lebensstil bis zum bitteren Ende verteidigen. Allerdings wird die Umweltkrise national und global die sozialen Verteilungskämpfe verschärfen, bis hin zu Kriegen. Auch das wird langsam gehen – in den reichen Ländern –, wie man an den erstaunlich ruhigen mediterranen Jugendlichen sehen kann, von denen ca. 40% (!) arbeitslos sind, aber eben dennoch relativ reich.
Am vorläufigen Ende wird alles mit weniger Komfort, Konsumgütern und umweltabhängiger Lebensqualität so weiter gehen wie bisher, und alle werden sich daran gewöhnen und immer noch von Wachstum träumen.
Eine große Unbekannte, die diese traurige und banale Entwicklung stören könnte, sind gravierende Kippphänomene, z. B. Stillstand des Golfstroms, unumkehrbares Abschmelzen der Eismassen Grönlands bzw. der Antarktis mit anschließender Überflutung aller flachen Küsten und ähnliche Ereignisse.