Zurzeit geschieht vor unseren Augen etwas,
was schwer zu verstehen ist. Aber wir müssen es verstehen, wenn wir noch für
unsere politische Vision arbeiten wollen.
In
Nigeria kämpft eine Bande von islamistischen Fundamentalisten, nämlich Boko
Haram, für ihren „Gottesstaat“, tötet Zivilisten anderen Glaubens, zerstört
Bildungseinrichtungen und entführt Mädchen. Und der säkulare Staat Nigeria –
das bevölkerungsreichste Land und Wirtschaftsmacht Nummer eins in Afrika – ist
ihr gegenüber machtlos. Etwas Ähnliches geschieht auch im Irak. Eine relativ
kleine Truppe von islamistischen Dschihadis namens ISIS (Islamischer Staat im
Irak und Syrien) – nach Schätzungen westlicher Experten (zusammen mit
verbündeten Sunni militanten Gruppen) etwa zehn tausend Mann stark – überfiel
Nordwestirak, und die dort stationierten Soldaten der etwa zweihunderttausend
Mann starken Armee des Staates ergriffen in Panik die Flucht, total kampflos.
Sie warfen sogar ihre Uniformen und Helme weg und liefen (wahrscheinlich)
direkt nach Hause. Dass die betreffenden Einheiten überrascht wurden, kann
nicht die einzige Erklärung für
die
Flucht sein. Denn auch an den folgenden Tagen konnte die Armee den Vormarsch
der ISIS-Kämpfer nicht stoppen.
Diese totale Machtlosigkeit der Armeen der betreffenden Staaten ist
bemerkenswert. Auch in puncto Kriegsmaterial gibt es keine Überlegenheit der
Gotteskrieger. Das Einzige, das einem zur Erklärung der unterschiedlichen
Kampkraft der beiden Seiten einfällt, kommt aus dem Bereich der Psychologie.
Die einen, die Gotteskrieger, sind hoch motivierte Kämpfer für eine Sache, der
sie ihr Leben hingegeben haben. Sie kennen keine Furcht, sind jederzeit bereit,
für ihre Sache zu sterben – wenn nötig, auch als Selbstmordattentäter. Die
anderen sind nur einfache Leute, die in der Armee einen Job gefunden haben. Den
Sold wollen sie gerne kassieren, ihr Leben riskieren wollen sie aber ungern.
Auch in Afghanistan und Somalia haben wir diesen Kontrast beobachtet. Die diversen
Politiker, die Clanführer bzw. Warlords und ihre Soldaten hatten die Talibans
und der Al-Shabab leicht in die Flucht geschlagen. Es bedürfte einer regelrechten
Invasion der Amerikaner bzw. der von den Amerikanern unterstützten Armeen der
Nachbarstaaten, um die Talibans und den Al-Shabab von den Städten zu
vertreiben. Aber die letzteren sind gar nicht geschlagen. Sie kämpfen weiter, jetzt
als Guerilleros. Al-Shabab-Kämpfer verüben sogar Attentate tief im Feindesland,
nämlich in Kenia.
Diese Zähigkeit und diese Kampfkraft kommen ganz klar hauptsächlich
daher, dass diese Krieger – zumindest ihre Führer – das ihrer Ansicht nach höchst
denkbare Ziel verfolgen. Sie streben nichts weniger als die Errichtung eines „Gottesstaates“
an. Alle, die ihnen bei der Verfolgung dieses Zieles im Wege stehen, sind zu
vernichten. Von den Soldaten der Staatsarmeen wird dagegen nur verlangt, dass
sie gegen jene kämpfen, die der jeweilige Machthaber als Feind betrachtet.
Maliki kann seinen Soldaten nicht weismachen, dass er als Staatsführer
irgendein höheres Ziel verfolgt. Die irakischen Schiiten sind zudem nicht
mittels eines eigenen bewaffneten Aufstands im Sinne einer Befreiungsbewegung
an die Macht gekommen, sondern nur dadurch, dass sie die amerikanische Invasion
hinnahmen, die Amis dem Saddam-Regime den Garaus machen ließen und dass sie im
Irak eine satte Bevölkerungsmehrheit ausmachen. (Die Kurden im Norden
kollaborierten zwar mit den Amerikanern, aber sie hatten doch vor 2003 viele
Jahre lang für ihren kurdischen Nationalstaat gekämpft.). Es nimmt also nicht
Wunder, dass nun die Ayatollahs und Imame auf den Plan treten und schiitische
junge Männer dazu aufrufen, als Freiwillige in den Kampf zu ziehen, um ihre
heiligen Pilgerstätten zu verteidigen.
In den zwei Jahren zuvor haben wir auch in Syrien gesehen, dass weder
die professionelle Staatsarmee von Syrien in der Lage war, den bewaffneten
Aufstand niederzuschlagen, noch konnten die säkularen Soldaten und Offiziere
der Freien Syrischen Armee Assad von der Macht stürzen. Darum mussten
schließlich einerseits die schiitischen Gotteskrieger von Hisbollah dem
Assad-Regime zu Hilfe eilen, und andererseits mussten sich die sunnitischen
Gotteskrieger von Al Nusra und ISIS im Kampf gegen das Assad-Regime engagieren.
Beide Seiten konnten Erfolge erzielen. Die Hisbollah-Kämpfer konnten das
Assad-Regime retten, und die ISIS-Kämpfer konnten weite Teile des Nordens befreien.
Über die korrupte herrschende Elite in Nigeria ist inzwischen genug
bekannt. Es ist auch bekannt, dass den Soldaten an Motivation fehlt. Über den
Zustand der nigerianischen Armee kann man Folgendes lesen:
“ Die Opposition in Nigeria wirft 2014 der
Regierung und dem Militär totales Versagen vor. Die Armee sei in einem
verrotteten Zustand. Die Moral der Soldaten sei schlecht, u.a. da sie oft
wochenlang auf ihren Sold warten müssten. Die Ausrüstung des Militärs sei
verwahrlost und die interne Kommunikation chaotisch. Die Disziplin der Truppen
sei schwach. Bestechliche Offiziere würden mit Boko Haram kollaborieren. Im Mai
2014 wurde gegen neun Generäle wegen Waffenverkäufen an Boko Haram ermittelt.
Nach einem Überfall am 13. Mai 2014 auf einen Stoßtrupp der 7.
Infanteriedivision … wurde beim anschließenden Truppenbesuch des
kommandierenden Generals dessen Fahrzeug von eigenen Soldaten beschossen. Die
Soldaten verdächtigen ihren eigenen Kommandeur der Kollaboration mit Boko Haram.“
(Wikipedia-Deutsch)
Über den Zustand der irakischen Armee kann
man Folgendes lesen:
„Jüngste Einschätzungen westlicher Beamter
und Militärexperten deuten darauf, dass etwa ein Viertel der irakischen
Streitkräfte ‚kampfuntauglich‘ ist; ihre Luftwaffe ist winzig klein; die Moral
unter den Truppen ist niedrig und ihre Führung leidet an weit verbreiteten
Korruption.‘ … ‚60 unter den 243 Kampfbataillons der Armee‘ sind unauffindbar
und alle ihre Ausrüstungen sind verloren.‘ … ‚Fünf der 14 Divisionen der Armee
sind kampfuntauglich – einschließlich der zwei, die in Mosul überrannt wurden.
Iraks Armee ist [im Wesentlichen nur] eine Kontrollpunkt-Armee, aber … sie
haben weder die Geräte noch den Willen, auch nur das in der präzisen und
effektiven Weise zu machen wie die US-Soldaten, als sie dort waren.‘ …‘Irakische
Soldaten ließen ihre Zukunft unberücksichtigt. Sie interessierten sich [nur]
für den Sold. Aber die irakische Zivilbevölkerung war zu Tode erschreckt.“
(Rubin & Gordon 2014)
Über die ISIS-Kämpfer liest man Folgendes:
“Ein Kommandeur der irakischen Armee sagte:
‚Die ISIS-Kämpfer sind zahlenmäßig geringer, aber sie sind gut ausgebildet.‘ …
‚Sie haben die Bereitschaft zu sterben, darum sind sie furchtlos.‘ … ‚Westliche
Beamten beschreiben die ISIS als ein sehr viel zäherer Feind als der, dem die
US-Militärs gegenüberstanden, als sie den Al Qaeda in Irak bekämpften. … Sie
scheinen auch engagiert für ihre Sache zu sein, nämlich die Kräfte der modernen
Welt zu besiegen und das Territorium, das sie erobern, zu einer früheren Form
des Islams zurückzuführen. … ‚Bis jetzt scheinen die Kämpfer unbeeindruckt zu
sein von Verlusten im Kampf. Bis jetzt können sie ihre Gefallenen schnell durch
Kämpfer aus Syrien, Saudi Arabien, Libanon, Tschetschenien und Europa ergänzen.
Diese scheinen vom Erfolg im Irak angezogen zu sein.“ (ebenda)
Zwei unbekannte (wahrscheinlich amerikanische) Leser des Artikels, aus
dem ich oben zitiert habe, kommentierten so: “Angesichts der Tatsache, dass sie
[die irakische Armee] vom amerikanischen Militär ausgebildet wurde, finde ich es
erstaunlich. Warum und wie konnten die USA dies [die Flucht etc.] geschehen
lassen? Die Iraker wurden von den Besten ausgebildet, dann sollten sie auch die
Besten sein. Ich verstehe das nicht.“ …Und: „Was war das für eine Ausbildung,
die es verursachte, dass die irakische Armee schon beim ersten Zeichen vom
Kampf schneller weglief als ein TV-Cartoon- Charakter?“ (ebenda). Dazu möchte
ich sagen, diese zwei Kommentatoren haben nicht verstanden, dass Engagement und
Kampfmoral nicht durch Ausbildung und Sold geimpft werden können.
Wenn es aber soweit gekommen ist, dass die
regierende Elite von Nigeria nicht einmal den Soldaten regelmäßig ihren Sold
zahlt, obwohl das Land Afrikas Wirtschaftsmacht Nummer eins ist, dann ist es
kein Wunder, dass diese Armee die mit Hingabe kämpfenden Überzeugungstäter der
Boko Haram nicht besiegen kann.
Es
muss hier aber auch gesagt werden, dass Korruption bei der herrschenden Elite
nicht der einzige Grund dafür ist, dass die Soldaten nicht regelmäßig ihren
Sold bekommen, was bei ihnen zur sinkenden Moral führt. Es gibt auch einige
tiefere, nämlich materiell-ökonomische, Gründe dafür. In einem englischen
Zeitungsartikel (Ahmed
2014) liest
man:
„Während Korruption
und älter werdende Infrastruktur eine wichtige Rolle spielen, ist das Ende des
billigen Öls das eigentliche Problem. Eine Studie von zwei nigerianischen
Gelehrten kam 2011 zu dem Schluss, ‚man sieht einen nahe bevorstehenden Rückgang
vom Nigerias Ölreichtum, da der Scheitelpunkt von Ölförderung schon erreicht
worden sein könnte oder bald erreicht sein würde.‘ ‚Nach
einem leitenden Manager von Shell sind die Rückgangsraten der Ölförderung im
März dieses Jahres so hoch wie 15 bis 20 Prozent.‘ “ (Ahmed 2014)
Der
Autor schreibt auch von Nigerias zunehmender Energiekrise: „In den letzten
Monaten erlebte das Land eine Brennstoffkrise – zum Teil verursacht durch die Kürzung
der vorherigen hohen Subventionen, die bezahlt wurde, um die Brennstoffpreise
erschwinglich zu halten. Das heizte öffentlichen Zorn und Unruhen an“ (ebenda).
Das ist eine pure
Wirtschaftskrise. Wenn wir dazu noch an das rapide Bevölkerungswachstum denken
– 159 Millionen Menschen im Jahre 2010 mit einer jährlichen Wachstumsrate von
3% (Wikipedia - Englisch) – dann verstehen wir, wie ernst die wirtschaftliche
Lage in Nigeria ist.
Das ist
nicht alles. Der Autor der obigen Zitate schreibt auch:
„Seit über einem Jahrzehnt wächst
die Instabilität in Nigeria ständig – und ein Grund dafür ist der Klimawandel.
2009 warnte eine Studie der britischen Behörde für internationale Entwicklung
(Dfid), dass der Klimawandel in Nigeria zur Verschärfung der Ressourcenknappheit
beitragen könnte – verursacht durch Ackerbodenknappheit wegen Wüstenbildung,
Wassermangel und zunehmende Missernten.
Eine Studie jüngeren Datums, eine vom …
Amerikanischen Institut für Frieden (USIP), bestätigte ‚einen grundlegenden
kausalen Mechanismus‘, der den Klimawandel mit der Gewalt in Nigeria in
Verbindung bringt.‘ Die Studie schließt:
‚Mangelhafte Reaktionen auf den Klimawandel verursachen Knappheit von
Ressourcen wie Land und Wasser. [Solchen] Knappheiten folgen sekundäre negative
Auswirkungen wie mehr Erkrankungen, Hunger und Arbeitslosigkeit. Schlechte Reaktionen
darauf öffnen wiederum Konflikten Tür und Tor.“ (ebenda)
In
den 1980er Jahren war die in Nordnigeria beheimatete Sekte Maitatsine der
Vorläufer der Boko Haram. Unter ihren Mitgliedern waren viele Opfer von ökologischen
Katastrophen, die inmitten einer chaotischen Situation von absoluter Armut und
sozialer Entwurzelung nach Nahrung, Wasser, Unterkunft und Arbeit suchten. Es
wurde berichtet, dass viele Fußsoldaten der Boko Haram Menschen waren, die
wegen einer schweren Dürreperiode und Nahrungsmangel in benachbarten Niger und
Chad ihre Heimat verlassen mussten. Etwa 200.000 Bauern und Viehzüchter
übertraten damals die Grenze und gingen nach Nigeria (vgl. ebenda).
Was
die ISIS und die mit ihr verbündeten Sunni Rebellengruppen betrifft, gründen
sich ihr Aufstieg und Erfolg im Irak nicht nur auf das allgemeine Erstarken des
islamischen Fundamentalismus in der ganzen islamischen Welt. Das hat auch viel
mit der wirtschaftlichen und politischen Situation im Irak zu tun. Die
Ölförderung in diesem zweitreichsten unter den OPEC-Ländern hat sich seit dem
Anfang des neuen Regimes gut erholt. Aber außer dem Rohölexport und einigen
ölverarbeitenden Industrien gibt es nicht viel, was der ständig steigenden Zahl
von arbeitslosen jungen Irakern bezahlte Beschäftigung anbieten könnte. Iraks
Bevölkerung – 31,23 Millionen im Jahre 2009 – wächst jährlich um 2,29 Prozent. 25
Prozent der Arbeiterschaft des Landes sind arbeitslos, 25 Prozent der
Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze (vgl. Wikipedia-English). Auch die von
Schiiten dominierte Regierung Maliki hat nicht genug getan, um das Gefühl der Sunniten
zu beschwichtigen, dass sie in der Wirtschaft wie in der Politik benachteiligt
werden. Das ist auch ein Grund dafür, dass viele Sunnis, die keine
Fundamentalisten sind, die von Fundamentalisten geführte ISIS unterstützen.
Ich erinnere mich an TV-Berichte aus dem
Kongo, als das Land noch Zaire hieß und der Herrscher Mobutu. Die Kleptokratie
des an Bodenschätzen reichen Landes zahlte den Soldaten oft keinen Sold. Diese
meuterten ab und an und plünderten die Läden und die Bewohner der Hauptstadt,
um so ihren Sold einzutreiben. Wir wissen, dass Zaire in den folgenden Jahren
in Chaos versank. Der
östliche Teil des Landes wurde bald zum Jagdgebiet von Bodenschätze-Räubern.
Auch im Irak herrscht zurzeit Chaos, obwohl es ein Chaos einer anderen Art ist.
Es ist
wahrscheinlich, dass das Land zerfällt. Und dann entstehen auf dessen Gebiet
drei Staaten, die erbittert um die reichen Ölquellen des Landes kämpfen. Die
von Kirkuk sind schon heute umkämpft.
Es
ist möglich, dass irgendwann auch Nigeria vom gleichen Schicksal heimgesucht wird.
So wie das irakische Volk in religiös-ethnische Gruppen geteilt ist, so auch
das nigerianische (Muslime, Christen, die Ogonis etc.). Im Irak haben die
Kurden schon eine weitgehende Autonomie erreicht; sie wollen nun einen
richtigen Staat gründen. In Nigeria fordern die Ogonis politische und
ökonomische Autonomie und Umweltschutz, alles bezogen auf Ölförderung auf ihrem
Gebiet. So gibt es in Nigeria religiöse Konflikte – Muslime (Boko Haram) gegen
Christen –, aber auch inter-ethnische. 1993 kam es zu einem gewaltsamen
Konflikt zwischen den Ogonis und den Adonis, infolge dessen etwa 1000 Ogonis
getötet wurden und etwa 30.000 flüchten mussten.
Ich
fürchte, überall, wo eine solche Konstellation besteht – verschiedene religiöse
und/oder ethnische und/oder Sprachgruppen in einem an Bodenschätzen reichen
übervölkerten Staat –, dort werden mehr solche Konflikte entstehen. Mir fallen
sofort den Sudan und Südsudan ein.
Klar spielen bei den Konflikten in Nigeria und im Irak auch Verteilungs-
und Machtpolitik eine große Rolle. Aber das langfristige, d.h. das eigentliche,
Ziel von ISIS, Boko Haram und sonstigen fundamentalistisch-islamistischen
Gruppen ist die Errichtung eines „Gottesstaates“ auf der Grundlage der Scharia
und ihrer besonderen Interpretation des Islams. Werden sie erfolgreich sein? Mittelfristig
könnten sie siegen, zumindest in den islamischen Ländern. Denn sie kämpfen
hingebungsvoll für ein Ideal. Ihre Gegner nicht. Theo van Gogh, der
niederländische Filmemacher, der 2004 von einem fanatischen Islamisten ermordet
wurde, weil er den Islam bekämpfte, nannte einen weiteren Grund: Im Islam werde
jedem Märtyrer versprochen, dass er nach seinem Tod direkt in den Himmel
aufsteigen und dort ein höchst schönes Leben führen würde. Sie würden fest
daran glauben. Bei ihren Gegnern, den Andersgläubigen, gebe es kein solches
Versprechen, und heutzutage glaubten sie eigentlich auch nicht so richtig an
ihre jeweilige Religion.
In
Afghanistan, vor der amerikanischen Invasion von 2001, waren sie schon erfolgreich.
Ihre moderateren Brüder, gewählt vom Volk, regieren heute in der Türkei. Bis
vor einem Jahr regierten sie, auch vom Volk gewählt, kurz in Ägypten. Im
Gaza-Streifen konnten sie ihre säkularen Gegner ganz leicht vertreiben.
Langfristig
aber werden auch sie scheitern. Denn, erstens, es gibt keinen Gott, der ihnen
helfen könnte, wenn die irdischen Probleme akut würden. Diese sind schon akut
und werden immer akuter. In Ägypten wurde das neulich konkret demonstriert. Die
Muslim Brüder scheiterten. Und zweitens, Glaube und Scharia allein können die
zunehmenden materiellen Bedürfnisse
einer wachsenden Bevölkerung nicht befriedigen. Die Türkei ist ein Sonderfall.
Sie war schon ein relativ entwickeltes Land, als die AKP-Partei an die Macht
kam.
Das westliche Modell des demokratisch-säkularen Staates befindet sich in
den islamischen Ländern, aber auch im Rest der Welt, im Rückzug, mehr oder
weniger. Langfristig wird es auch scheitern. Man könnte dieses Modell wieder
attraktiv machen, wenn man es von seiner gegenwärtigen Liaison mit dem
Kapitalismus befreien könnte. In Verbindung mit dem Ökosozialismus könnte es
wieder ein attraktives Modell werden, und ein Ziel, für das hingebungsvoll zu
kämpfen es sich lohnen würde. Dieses Ziel könnte den Islamisten den Wind aus
den Segeln nehmen.
Ahmed, Nafeez
(2014) ”Behind the rise of Boko Haram – ecological Disaster, oil crisis, spy
games.” In: The Guardian. Com. 9.05.2014.
Rubin. Alissa
J. & Michael R. Gordon (2014) “Iraq’s Military Seen as Unlikely to Turn the
Tide”. in: The New York Times (online),
22.6 2014.
PS. In diesem
Zusammenhang empfehle ich auch die folgende Lektüre: Die Macht der Religionen und die Ohnmacht der Linken, von
Saral Sarkar.
http://ak-oekopolitik.blogspot.de/2013/08/die-macht-der-religionen-und-die.html