Mittwoch, 2. Juli 2014

Gotteskrieger gegen säkularen Staat -- zur Boko Haram und ISIS


Zurzeit geschieht vor unseren Augen etwas, was schwer zu verstehen ist. Aber wir müssen es verstehen, wenn wir noch für unsere politische Vision arbeiten wollen.

    In Nigeria kämpft eine Bande von islamistischen Fundamentalisten, nämlich Boko Haram, für ihren „Gottesstaat“, tötet Zivilisten anderen Glaubens, zerstört Bildungseinrichtungen und entführt Mädchen. Und der säkulare Staat Nigeria – das bevölkerungsreichste Land und Wirtschaftsmacht Nummer eins in Afrika – ist ihr gegenüber machtlos. Etwas Ähnliches geschieht auch im Irak. Eine relativ kleine Truppe von islamistischen Dschihadis namens ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) – nach Schätzungen westlicher Experten (zusammen mit verbündeten Sunni militanten Gruppen) etwa zehn tausend Mann stark – überfiel Nordwestirak, und die dort stationierten Soldaten der etwa zweihunderttausend Mann starken Armee des Staates ergriffen in Panik die Flucht, total kampflos. Sie warfen sogar ihre Uniformen und Helme weg und liefen (wahrscheinlich) direkt nach Hause. Dass die betreffenden Einheiten überrascht wurden, kann nicht die einzige Erklärung für die Flucht sein. Denn auch an den folgenden Tagen konnte die Armee den Vormarsch der ISIS-Kämpfer nicht stoppen.

Diese totale Machtlosigkeit der Armeen der betreffenden Staaten ist bemerkenswert. Auch in puncto Kriegsmaterial gibt es keine Überlegenheit der Gotteskrieger. Das Einzige, das einem zur Erklärung der unterschiedlichen Kampkraft der beiden Seiten einfällt, kommt aus dem Bereich der Psychologie. Die einen, die Gotteskrieger, sind hoch motivierte Kämpfer für eine Sache, der sie ihr Leben hingegeben haben. Sie kennen keine Furcht, sind jederzeit bereit, für ihre Sache zu sterben – wenn nötig, auch als Selbstmordattentäter. Die anderen sind nur einfache Leute, die in der Armee einen Job gefunden haben. Den Sold wollen sie gerne kassieren, ihr Leben riskieren wollen sie aber ungern. Auch in Afghanistan und Somalia haben wir diesen Kontrast beobachtet. Die diversen Politiker, die Clanführer bzw. Warlords und ihre Soldaten hatten die Talibans und der Al-Shabab leicht in die Flucht geschlagen. Es bedürfte einer regelrechten Invasion der Amerikaner bzw. der von den Amerikanern unterstützten Armeen der Nachbarstaaten, um die Talibans und den Al-Shabab von den Städten zu vertreiben. Aber die letzteren sind gar nicht geschlagen. Sie kämpfen weiter, jetzt als Guerilleros. Al-Shabab-Kämpfer verüben sogar Attentate tief im Feindesland, nämlich in Kenia.

Diese Zähigkeit und diese Kampfkraft kommen ganz klar hauptsächlich daher, dass diese Krieger – zumindest ihre Führer – das ihrer Ansicht nach höchst denkbare Ziel verfolgen. Sie streben nichts weniger als die Errichtung eines „Gottesstaates“ an. Alle, die ihnen bei der Verfolgung dieses Zieles im Wege stehen, sind zu vernichten. Von den Soldaten der Staatsarmeen wird dagegen nur verlangt, dass sie gegen jene kämpfen, die der jeweilige Machthaber als Feind betrachtet.

Maliki kann seinen Soldaten nicht weismachen, dass er als Staatsführer irgendein höheres Ziel verfolgt. Die irakischen Schiiten sind zudem nicht mittels eines eigenen bewaffneten Aufstands im Sinne einer Befreiungsbewegung an die Macht gekommen, sondern nur dadurch, dass sie die amerikanische Invasion hinnahmen, die Amis dem Saddam-Regime den Garaus machen ließen und dass sie im Irak eine satte Bevölkerungsmehrheit ausmachen. (Die Kurden im Norden kollaborierten zwar mit den Amerikanern, aber sie hatten doch vor 2003 viele Jahre lang für ihren kurdischen Nationalstaat gekämpft.). Es nimmt also nicht Wunder, dass nun die Ayatollahs und Imame auf den Plan treten und schiitische junge Männer dazu aufrufen, als Freiwillige in den Kampf zu ziehen, um ihre heiligen Pilgerstätten zu verteidigen.

In den zwei Jahren zuvor haben wir auch in Syrien gesehen, dass weder die professionelle Staatsarmee von Syrien in der Lage war, den bewaffneten Aufstand niederzuschlagen, noch konnten die säkularen Soldaten und Offiziere der Freien Syrischen Armee Assad von der Macht stürzen. Darum mussten schließlich einerseits die schiitischen Gotteskrieger von Hisbollah dem Assad-Regime zu Hilfe eilen, und andererseits mussten sich die sunnitischen Gotteskrieger von Al Nusra und ISIS im Kampf gegen das Assad-Regime engagieren. Beide Seiten konnten Erfolge erzielen. Die Hisbollah-Kämpfer konnten das Assad-Regime retten, und die ISIS-Kämpfer konnten weite Teile des Nordens befreien.

Über die korrupte herrschende Elite in Nigeria ist inzwischen genug bekannt. Es ist auch bekannt, dass den Soldaten an Motivation fehlt. Über den Zustand der nigerianischen Armee kann man Folgendes lesen:

“ Die Opposition in Nigeria wirft 2014 der Regierung und dem Militär totales Versagen vor. Die Armee sei in einem verrotteten Zustand. Die Moral der Soldaten sei schlecht, u.a. da sie oft wochenlang auf ihren Sold warten müssten. Die Ausrüstung des Militärs sei verwahrlost und die interne Kommunikation chaotisch. Die Disziplin der Truppen sei schwach. Bestechliche Offiziere würden mit Boko Haram kollaborieren. Im Mai 2014 wurde gegen neun Generäle wegen Waffenverkäufen an Boko Haram ermittelt. Nach einem Überfall am 13. Mai 2014 auf einen Stoßtrupp der 7. Infanteriedivision … wurde beim anschließenden Truppenbesuch des kommandierenden Generals dessen Fahrzeug von eigenen Soldaten beschossen. Die Soldaten verdächtigen ihren eigenen Kommandeur der Kollaboration mit Boko Haram.“ (Wikipedia-Deutsch)

Über den Zustand der irakischen Armee kann man Folgendes lesen:

„Jüngste Einschätzungen westlicher Beamter und Militärexperten deuten darauf, dass etwa ein Viertel der irakischen Streitkräfte ‚kampfuntauglich‘ ist; ihre Luftwaffe ist winzig klein; die Moral unter den Truppen ist niedrig und ihre Führung leidet an weit verbreiteten Korruption.‘ … ‚60 unter den 243 Kampfbataillons der Armee‘ sind unauffindbar und alle ihre Ausrüstungen sind verloren.‘ … ‚Fünf der 14 Divisionen der Armee sind kampfuntauglich – einschließlich der zwei, die in Mosul überrannt wurden. Iraks Armee ist [im Wesentlichen nur] eine Kontrollpunkt-Armee, aber … sie haben weder die Geräte noch den Willen, auch nur das in der präzisen und effektiven Weise zu machen wie die US-Soldaten, als sie dort waren.‘ …‘Irakische Soldaten ließen ihre Zukunft unberücksichtigt. Sie interessierten sich [nur] für den Sold. Aber die irakische Zivilbevölkerung war zu Tode erschreckt.“ (Rubin & Gordon 2014)

Über die ISIS-Kämpfer liest man Folgendes:

“Ein Kommandeur der irakischen Armee sagte: ‚Die ISIS-Kämpfer sind zahlenmäßig geringer, aber sie sind gut ausgebildet.‘ … ‚Sie haben die Bereitschaft zu sterben, darum sind sie furchtlos.‘ … ‚Westliche Beamten beschreiben die ISIS als ein sehr viel zäherer Feind als der, dem die US-Militärs gegenüberstanden, als sie den Al Qaeda in Irak bekämpften. … Sie scheinen auch engagiert für ihre Sache zu sein, nämlich die Kräfte der modernen Welt zu besiegen und das Territorium, das sie erobern, zu einer früheren Form des Islams zurückzuführen. … ‚Bis jetzt scheinen die Kämpfer unbeeindruckt zu sein von Verlusten im Kampf. Bis jetzt können sie ihre Gefallenen schnell durch Kämpfer aus Syrien, Saudi Arabien, Libanon, Tschetschenien und Europa ergänzen. Diese scheinen vom Erfolg im Irak angezogen zu sein.“ (ebenda)

Zwei unbekannte (wahrscheinlich amerikanische) Leser des Artikels, aus dem ich oben zitiert habe, kommentierten so: “Angesichts der Tatsache, dass sie [die irakische Armee] vom amerikanischen Militär ausgebildet wurde, finde ich es erstaunlich. Warum und wie konnten die USA dies [die Flucht etc.] geschehen lassen? Die Iraker wurden von den Besten ausgebildet, dann sollten sie auch die Besten sein. Ich verstehe das nicht.“ …Und: „Was war das für eine Ausbildung, die es verursachte, dass die irakische Armee schon beim ersten Zeichen vom Kampf schneller weglief als ein TV-Cartoon- Charakter?“ (ebenda). Dazu möchte ich sagen, diese zwei Kommentatoren haben nicht verstanden, dass Engagement und Kampfmoral nicht durch Ausbildung und Sold geimpft werden können.

 
Tiefere Ursachen des Aufstiegs der Boko Haram und der ISIS

Wenn es aber soweit gekommen ist, dass die regierende Elite von Nigeria nicht einmal den Soldaten regelmäßig ihren Sold zahlt, obwohl das Land Afrikas Wirtschaftsmacht Nummer eins ist, dann ist es kein Wunder, dass diese Armee die mit Hingabe kämpfenden Überzeugungstäter der Boko Haram nicht besiegen kann.

    Es muss hier aber auch gesagt werden, dass Korruption bei der herrschenden Elite nicht der einzige Grund dafür ist, dass die Soldaten nicht regelmäßig ihren Sold bekommen, was bei ihnen zur sinkenden Moral führt. Es gibt auch einige tiefere, nämlich materiell-ökonomische, Gründe dafür. In einem englischen Zeitungsartikel (Ahmed 2014) liest man:

„Während Korruption und älter werdende Infrastruktur eine wichtige Rolle spielen, ist das Ende des billigen Öls das eigentliche Problem. Eine Studie von zwei nigerianischen Gelehrten kam 2011 zu dem Schluss, ‚man sieht einen nahe bevorstehenden Rückgang vom Nigerias Ölreichtum, da der Scheitelpunkt von Ölförderung schon erreicht worden sein könnte oder bald erreicht sein würde.‘   ‚Nach einem leitenden Manager von Shell sind die Rückgangsraten der Ölförderung im März dieses Jahres so hoch wie 15 bis 20 Prozent.‘ “ (Ahmed 2014)

    Der Autor schreibt auch von Nigerias zunehmender Energiekrise: „In den letzten Monaten erlebte das Land eine Brennstoffkrise – zum Teil verursacht durch die Kürzung der vorherigen hohen Subventionen, die bezahlt wurde, um die Brennstoffpreise erschwinglich zu halten. Das heizte öffentlichen Zorn und Unruhen an“ (ebenda). Das ist eine pure Wirtschaftskrise. Wenn wir dazu noch an das rapide Bevölkerungswachstum denken – 159 Millionen Menschen im Jahre 2010 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 3% (Wikipedia - Englisch) – dann verstehen wir, wie ernst die wirtschaftliche Lage in Nigeria ist.

    Das ist nicht alles. Der Autor der obigen Zitate schreibt auch:

„Seit über einem Jahrzehnt wächst die Instabilität in Nigeria ständig – und ein Grund dafür ist der Klimawandel. 2009 warnte eine Studie der britischen Behörde für internationale Entwicklung (Dfid), dass der Klimawandel in Nigeria zur Verschärfung der Ressourcenknappheit beitragen könnte – verursacht durch Ackerbodenknappheit wegen Wüstenbildung, Wassermangel und zunehmende Missernten.

    Eine Studie jüngeren Datums, eine vom … Amerikanischen Institut für Frieden (USIP), bestätigte ‚einen grundlegenden kausalen Mechanismus‘, der den Klimawandel mit der Gewalt in Nigeria in Verbindung bringt.‘ Die Studie schließt:  ‚Mangelhafte Reaktionen auf den Klimawandel verursachen Knappheit von Ressourcen wie Land und Wasser. [Solchen] Knappheiten folgen sekundäre negative Auswirkungen wie mehr Erkrankungen, Hunger und Arbeitslosigkeit. Schlechte Reaktionen darauf öffnen wiederum Konflikten Tür und Tor.“ (ebenda)

    In den 1980er Jahren war die in Nordnigeria beheimatete Sekte Maitatsine der Vorläufer der Boko Haram. Unter ihren Mitgliedern waren viele Opfer von ökologischen Katastrophen, die inmitten einer chaotischen Situation von absoluter Armut und sozialer Entwurzelung nach Nahrung, Wasser, Unterkunft und Arbeit suchten. Es wurde berichtet, dass viele Fußsoldaten der Boko Haram Menschen waren, die wegen einer schweren Dürreperiode und Nahrungsmangel in benachbarten Niger und Chad ihre Heimat verlassen mussten. Etwa 200.000 Bauern und Viehzüchter übertraten damals die Grenze und gingen nach Nigeria (vgl. ebenda).

    Was die ISIS und die mit ihr verbündeten Sunni Rebellengruppen betrifft, gründen sich ihr Aufstieg und Erfolg im Irak nicht nur auf das allgemeine Erstarken des islamischen Fundamentalismus in der ganzen islamischen Welt. Das hat auch viel mit der wirtschaftlichen und politischen Situation im Irak zu tun. Die Ölförderung in diesem zweitreichsten unter den OPEC-Ländern hat sich seit dem Anfang des neuen Regimes gut erholt. Aber außer dem Rohölexport und einigen ölverarbeitenden Industrien gibt es nicht viel, was der ständig steigenden Zahl von arbeitslosen jungen Irakern bezahlte Beschäftigung anbieten könnte. Iraks Bevölkerung – 31,23 Millionen im Jahre 2009 – wächst jährlich um 2,29 Prozent. 25 Prozent der Arbeiterschaft des Landes sind arbeitslos, 25 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze (vgl. Wikipedia-English). Auch die von Schiiten dominierte Regierung Maliki hat nicht genug getan, um das Gefühl der Sunniten zu beschwichtigen, dass sie in der Wirtschaft wie in der Politik benachteiligt werden. Das ist auch ein Grund dafür, dass viele Sunnis, die keine Fundamentalisten sind, die von Fundamentalisten geführte ISIS unterstützen.

 Ausblick.

Ich erinnere mich an TV-Berichte aus dem Kongo, als das Land noch Zaire hieß und der Herrscher Mobutu. Die Kleptokratie des an Bodenschätzen reichen Landes zahlte den Soldaten oft keinen Sold. Diese meuterten ab und an und plünderten die Läden und die Bewohner der Hauptstadt, um so ihren Sold einzutreiben. Wir wissen, dass Zaire in den folgenden Jahren in Chaos versank. Der östliche Teil des Landes wurde bald zum Jagdgebiet von Bodenschätze-Räubern. Auch im Irak herrscht zurzeit Chaos, obwohl es ein Chaos einer anderen Art ist. Es ist wahrscheinlich, dass das Land zerfällt. Und dann entstehen auf dessen Gebiet drei Staaten, die erbittert um die reichen Ölquellen des Landes kämpfen. Die von Kirkuk sind schon heute umkämpft.

    Es ist möglich, dass irgendwann auch Nigeria vom gleichen Schicksal heimgesucht wird. So wie das irakische Volk in religiös-ethnische Gruppen geteilt ist, so auch das nigerianische (Muslime, Christen, die Ogonis etc.). Im Irak haben die Kurden schon eine weitgehende Autonomie erreicht; sie wollen nun einen richtigen Staat gründen. In Nigeria fordern die Ogonis politische und ökonomische Autonomie und Umweltschutz, alles bezogen auf Ölförderung auf ihrem Gebiet. So gibt es in Nigeria religiöse Konflikte – Muslime (Boko Haram) gegen Christen –, aber auch inter-ethnische. 1993 kam es zu einem gewaltsamen Konflikt zwischen den Ogonis und den Adonis, infolge dessen etwa 1000 Ogonis getötet wurden und etwa 30.000 flüchten mussten.

    Ich fürchte, überall, wo eine solche Konstellation besteht – verschiedene religiöse und/oder ethnische und/oder Sprachgruppen in einem an Bodenschätzen reichen übervölkerten Staat –, dort werden mehr solche Konflikte entstehen. Mir fallen sofort den Sudan und Südsudan ein.

    Klar spielen bei den Konflikten in Nigeria und im Irak auch Verteilungs- und Machtpolitik eine große Rolle. Aber das langfristige, d.h. das eigentliche, Ziel von ISIS, Boko Haram und sonstigen fundamentalistisch-islamistischen Gruppen ist die Errichtung eines „Gottesstaates“ auf der Grundlage der Scharia und ihrer besonderen Interpretation des Islams. Werden sie erfolgreich sein? Mittelfristig könnten sie siegen, zumindest in den islamischen Ländern. Denn sie kämpfen hingebungsvoll für ein Ideal. Ihre Gegner nicht. Theo van Gogh, der niederländische Filmemacher, der 2004 von einem fanatischen Islamisten ermordet wurde, weil er den Islam bekämpfte, nannte einen weiteren Grund: Im Islam werde jedem Märtyrer versprochen, dass er nach seinem Tod direkt in den Himmel aufsteigen und dort ein höchst schönes Leben führen würde. Sie würden fest daran glauben. Bei ihren Gegnern, den Andersgläubigen, gebe es kein solches Versprechen, und heutzutage glaubten sie eigentlich auch nicht so richtig an ihre jeweilige Religion.

    In Afghanistan, vor der amerikanischen Invasion von 2001, waren sie schon erfolgreich. Ihre moderateren Brüder, gewählt vom Volk, regieren heute in der Türkei. Bis vor einem Jahr regierten sie, auch vom Volk gewählt, kurz in Ägypten. Im Gaza-Streifen konnten sie ihre säkularen Gegner ganz leicht vertreiben.

    Langfristig aber werden auch sie scheitern. Denn, erstens, es gibt keinen Gott, der ihnen helfen könnte, wenn die irdischen Probleme akut würden. Diese sind schon akut und werden immer akuter. In Ägypten wurde das neulich konkret demonstriert. Die Muslim Brüder scheiterten. Und zweitens, Glaube und Scharia allein können die zunehmenden materiellen Bedürfnisse einer wachsenden Bevölkerung nicht befriedigen. Die Türkei ist ein Sonderfall. Sie war schon ein relativ entwickeltes Land, als die AKP-Partei an die Macht kam.

Das westliche Modell des demokratisch-säkularen Staates befindet sich in den islamischen Ländern, aber auch im Rest der Welt, im Rückzug, mehr oder weniger. Langfristig wird es auch scheitern. Man könnte dieses Modell wieder attraktiv machen, wenn man es von seiner gegenwärtigen Liaison mit dem Kapitalismus befreien könnte. In Verbindung mit dem Ökosozialismus könnte es wieder ein attraktives Modell werden, und ein Ziel, für das hingebungsvoll zu kämpfen es sich lohnen würde. Dieses Ziel könnte den Islamisten den Wind aus den Segeln nehmen.

 
Literatur

Ahmed, Nafeez (2014) ”Behind the rise of Boko Haram – ecological Disaster, oil crisis, spy games.” In: The Guardian. Com. 9.05.2014.

Rubin. Alissa J. & Michael R. Gordon (2014) “Iraq’s Military Seen as Unlikely to Turn the Tide”. in: The New York Times (online), 22.6 2014.

PS. In diesem Zusammenhang empfehle ich auch die folgende Lektüre: Die Macht der Religionen und die Ohnmacht der Linken,  von Saral Sarkar.

http://ak-oekopolitik.blogspot.de/2013/08/die-macht-der-religionen-und-die.html