Montag, 24. Januar 2011

Klimaschutz
Die wahren Gründe der Augenwischerei in Cancun

Auf der UNO-Klimakonferenz, die im Dezember 2010 in Cancun, Mexiko, stattfand, wurden ein paar Einigungen erzielt, die von den Vertretern der teilnehmenden Staaten mit stürmischem, stehendem Applaus gefeiert wurden. Die Delegierten, außer denen von Bolivien, taten so, als hätten sie gerade den großen Durchbruch für den Klimaschutz geschafft. Die Berichte und Kommentare in den deutschen Printmedien aber waren bestenfalls lauwarm. Wenn man die verschiedenen Aussagen zusammenfassen darf, sagten die Kommentatoren: es ist bloß der Verhandlungsprozess, der gerettet worden sei, nicht das Klima. Gemeint war, dass die Konferenz nichts Verbindliches beschloss. Alles blieb vage; die Einigungen waren nur ein paar Absichtserklärungen; konkrete, verbindliche Beschlüsse wurden vertagt.
Mir scheint, allgemein gesprochen, die wahren Gründe für das Ausbleiben von verbindlichen Beschlüssen sind von kaum jemand unter den Kommentatoren verstanden worden. Oder, wenn jemand sie verstanden hat, wagte er nicht, sie zu nennen.
Gehen wir ein bisschen zurück in der neueren Geschichte. 1992 zögerte der damalige Präsident der USA Bush-I, am Weltumweltgipfel von Rio de Janeiro teilzunehmen. Er nahm schließlich daran teil, unterschrieb auch ein paar bedeutungslose Papiere, sagte aber auch ganz entschieden: "Der American way of life steht nicht zur Disposition". Unter der Präsidentschaft von Bush-II zog sich die USA aus dem Kyoto-Protokoll zurück – mit der Begründung, die Verpflichtungen des Protokolls schaden der amerikanischen Wirtschaft. Er wurde für diesen Schritt scharf kritisiert. Aber er war, anders als die anderen Staats- und Regierungsführer der Welt, zumindest ehrlich. Man kann nicht so tun, als könnte man das Klima schützen, ohne jemandem weh zu tun.
Es ist Fakt, es besteht ein Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie, wie wir die letztere heute verstehen. Wir können nicht den Kuchen essen, und ihn auch intakt behalten (you cannot eat the cake and have it too, sagen die Engländer). Darum sind auch die sogenannten aufstrebenden Schwellenländer – China, Indien, Brasilien, Südafrika usw. – und erst recht die übrigen Entwicklungsländer nicht bereit, aus Liebe zum Klimaschutz ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren. Denn der wichtigste und entscheidende Treibstoff des modernen Wirtschaftens – sei es Konsumieren oder Produzieren – sind die fossilen Energieträger, die alle bei Verbrennung CO2 emittieren. Es gibt, zumindest bisher, keine überzeugenden Alternativen, die deren Verbrauch überflüssig machen könnten. Der Beweis dafür ist die verzweifelte Suche nach neuen Quellen von Öl und Gas in den Tiefen der Weltmeere, sogar unter dem Arktischen Meer.
Nur Fritz Vorholz (in Die Zeit, 30.12.2010) scheint diesen Zusammenhang geahnt zu haben. Er schreibt: "Ohne Kurswechsel in der Klimapolitik und ohne die dadurch ausgelösten Preissignale werden weltweit weiterhin Fabriken, Kraftwerke, Häuser und alle möglichen anderen Infrastrukturen gebaut, die vor Ablauf ihrer regulären Lebensdauer verschrottet werden müssen - jedenfalls dann, wenn irgendwann doch Ernst gemacht werden sollte mit dem Kampf gegen die Erderwärmung."
Mit großem Aufwand könnte man die Effizienz der Kohlenstoff verbrennenden Kraftwerke und Kraftfahrzeuge der Entwicklungsländer etwas erhöhen, so dass der CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde Strom bzw. pro Kilometer Fahrt etwas reduziert werden könnte. Mit großem Aufwand könnte man auch den armen, von Klimakatastrophen bedrohten Ländern helfen, die Auswirkungen solcher Katastrophen zu begrenzen. Doch auch hier gibt es Grenzen des technisch Möglichen. Beispiel: die Sintflut in Queensland, Australien, ein hoch entwickeltes Land.
In Cancun ist die Absicht erklärt worden, für solche Zwecke ab 2020 von den reichen Ländern jährlich 100 Milliarden Dollar zu sammeln. Doch wie können die reichen Länder, die selbst unter der Last ihrer Schuldenberge ächzen und deren Wirtschaftsmaschine seit 2008 stottert, diese Summen aufbringen? Zumal die Aussichten angesichts der steil steigenden Öl- und sonstigen Rohstoffpreise längerfristig düster sind!
Aus diesen Fakten und Überlegungen müsste zwingend der Schluss gezogen werden, dass nur ein gewisses Ausmaß an Deindustrialisierung, Übergang zu einer bescheideneren Lebensweise in den reichen Ländern und eine stagnierende, wenn nicht abnehmende Weltbevölkerungszahl die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius begrenzen könnte. Sind wir dazu bereit?

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