Vor einiger Zeit lernte ich einen schönen idiomatischen Ausdruck: "Sie sitzen in zwei verschiedenen Dampfern". Gemeint war, dass die zwei betreffenden Menschen bei einer wichtigen Frage total entgegengesetzte Grundpositionen vertraten. Politiker sind aber ein besonderer Typ von Menschen. Sie können offensichtlich manchmal gleichzeitig in zwei verschiedenen Dampfern sitzen, die in entgegengesetzten Richtungen fahren. Sonst kann man nicht erklären, dass sie (z.B. neulich in Durban) sich um eine weltweite Klimapolitik bemühen, die die Erderwärmung auf maximal 2° Celsius begrenzen soll, und dass sie gleichzeitig in Brüssel, Washington, Beijing, Delhi usw. eine Politik verfolgen, die unbegrenztes Wirtschaftswachstum bewirken soll.
Bis dato ist das erhoffte goldene Zeitalter der emissionslosen erneuerbaren Energien nicht angebrochen. Der größte Teil der Weltwirtschaft wird immer noch durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern getrieben. 2010 stieg die globale Emission von CO² um 6%. Auch Photovoltaik-Module und Windtkraftanlagen werden immer noch mithilfe von konventionellen Energien hergestellt. Was noch enttäuschender ist, sie brauchen immer noch Subventionen, die in der Gesamtwirtschaft erarbeitet werden muss, das heißt eben durch Verbrennung von fossilen Energieträgern. Da inzwischen Kernenergie in Verruf geraten ist, zu gefährlich zu sein, werden wir in Zukunft den Bau von mehr Kohlekraftwerken erleben.
Ich denke nicht, dass Politiker im allgemeinen dumm sind. Sie verstehen ganz bestimmt den Widerspruch zwischen den zwei genannten Teilen ihrer Politik. Aber sie sitzen in einer Zwickmühle. Sie müssen so tun, als versuchten sie, die Erderwärmung auf 2° Celsius zu begrenzen. Denn die Weltöffentlichkeit, insbesondere die Bevölkerungen von kleinen, armen Ländern wie Tuvalu, Malediven und Bangladesh, die ihre Heimat werden verlassen müssen, wenn die Erderwärmung nicht bald gestoppt wird, sitzen ihnen im Nacken. Andererseits müssen sie auch versuchen, die große Wirtschaftskrise zu überwinden. Denn auch Millionen Arme, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, aber auch Wirtschaftskapitäne, sitzen ihnen im Nacken. Sie sind alle Wähler und zum Teil Spender von Wahlkampfgeldern. Und die Politiker wollen ja immer wieder gewählt werden.
Sie betreiben also eine große systematische Täuschung, und zwar seit langem. Dabei helfen ihnen auch viele Wissenschaftler, Publizisten und Medienleute. Ehrliche Fans der erneuerbaren Energien hegen nur die vage Hoffnung, dass bis 2050 das Problem gelöst sein wird, weil dann der gesamte Energiebedarf der Welt (zumindest des Vorreiters Deutschland) durch erneuerbare Energien gedeckt werden wird. Aber Politiker und ihre wissenschaftlichen und publizistischen Helfer behaupten schon seit den 1990er Jahren mit großer Selbstsicherheit, in Zukunft würde technologische Entwicklung ermöglichen, dass sowohl der Ressourcenverbrauch sinkt als auch gleichzeitig die Wirtschaft (bzw. der Wohlstand) wächst – um Faktor vier oder Faktor zehn oder gar um doppelten Faktor zehn.
Es gab schon in den 1980er Jahren auch wissenschaftliche Studien, in denen behauptet wurde, dass in den industriell entwickelten Ländern Energieverbrauch pro Einheit Bruttoinlandprodukt stetig sank. Kritiker hatten schon damals auf die trügerische Qualität solcher scheinbar wissenschaftlichen Studien hingewiesen. So schrieben zum Beispiel die Autoren des Brundtland-Berichts (1987): "Doch auch die industriell am fortgeschrittensten Wirtschaften brauchen nach wie vor eine kontinuierliche Versorgung mit Grundfertigwaren. Ob diese im Inland hergestellt oder importiert werden, ihre Produktion wird weiterhin große Mengen Rohstoffe und Energie erfordern … ".
Auch in Bezug auf den CO²-Fußabdruck eines Landes sollte man eine solche kritische Haltung einnehmen, das heißt nicht nur auf die Produktion, sondern auch auf den Konsum der Einwohner des Landes schauen. Dies hat Gabriel Felbermayr, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von München, neulich in einer Studie getan. Er schreibt: "Der CO²-Fußabdruck [eines Landes] … schließt alle Emissionen ein, für die die Konsumenten des betreffenden Landes verantwortlich sind. … Wenn sich ein Land am internationalen Handel beteiligt, dann [ändert sich] sein CO²-Fußabdruck mit dem CO²-Gehalt seines Handels." So gesehen, sei die Behauptung einiger Länder, wie zum Beispiel Deutschlands und Frankreichs, sie hätten seit 1990 ihren CO²-Ausstoß stark reduziert, total falsch. Felbermayr schreibt: "Industrieländer dokumentieren CO²-Ersparnisse. Aber in Wahrheit sind Emissionen nur ins Ausland ausgelagert worden", [indem viele Industrien ausgelagert wurden].
Wenn man diese wissenschaftlich gesehen richtige Sicht der Dinge zu Eigen macht, dann hat man auch etwas Verständnis für den Zorn, mit dem die Chinesen auf den Vorwurf der Westler reagieren, China würde die Umwelt und die Atmosphäre am meisten beschädigen. Ein chinesischer Minister sagte einmal: "Ihr wolltet es doch, dass China die Werkbank der Welt würde . Ihr könnt uns jetzt nicht dafür kritisieren, dass wir die Umwelt beschädigen."
Wenn man diese wissenschaftlich gesehen richtige Sicht der Dinge zu Eigen macht, dann hat man auch etwas Verständnis für den Zorn, mit dem die Chinesen auf den Vorwurf der Westler reagieren, China würde die Umwelt und die Atmosphäre am meisten beschädigen. Ein chinesischer Minister sagte einmal: "Ihr wolltet es doch, dass China die Werkbank der Welt würde . Ihr könnt uns jetzt nicht dafür kritisieren, dass wir die Umwelt beschädigen."
Der Widerspruch zwischen Ökologie und einer industriellen Ökonomie kann nicht bestritten werden. Es geht einfach nicht, dass wir den Kuchen essen und ihn auch intakt behalten wollen. George W. Bush war zumindest ehrlich, als er die USA aus dem Kyoto-Prozess zurückzog – mit der Begründung, dass sonst die Wirtschaft seines Landes schaden nehmen würde. Auch der kanadische Umweltminister sagte die Wahrheit, als er gestern (13.12.2011) den Austritt seines Landes aus dem Kyoto-Protokoll mit dem Satz begründete, Kanada könne seine Verpflichtungen nur erfüllen, wenn es alle Kraftfahrzeuge von den Straßen entferne.
Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltdegradation ist unbestreitbar. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre, als die Wirtschaften der ehemaligen DDR und der ehemaligen Sowjetunion zusammenbrachen, nahmen auch der CO²-Austoß und die Umweltverschmutzung in den betreffenden Regionen stark ab. Das ist auch ein Teil des Geheimnisses des "Erfolgs" Deutschlands in Punkto CO²-Ausstoß.
Ein geordneter Rückzug vom Wachstumswahn – das heißt kurzfristig, im Klartext, eine gut und gerecht geplante gewollte Wirtschaftsrezession – ist zweifelsohne das beste Rezept für Umweltschutz sowie für Klimaschutz. Eine längerfristige Bevölkerungspolitik im Weltmaßstab, deren Ziel eine Stabilisierung und spätere Schrumpfung der Weltbevölkerung sein muss, ist auch absolut notwendig.
Ein geordneter Rückzug vom Wachstumswahn – das heißt kurzfristig, im Klartext, eine gut und gerecht geplante gewollte Wirtschaftsrezession – ist zweifelsohne das beste Rezept für Umweltschutz sowie für Klimaschutz. Eine längerfristige Bevölkerungspolitik im Weltmaßstab, deren Ziel eine Stabilisierung und spätere Schrumpfung der Weltbevölkerung sein muss, ist auch absolut notwendig.
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