Meine Kenntnisse über die Transition Town Movement (TTM) waren bis jetzt dürftig. Ich bin also Esther Alloun und Samuel Alexander sehr dafür dankbar, dass sie uns so viel Information über das Thema geliefert haben und auch dafür, dass sie auf die Aspekte hingewiesen haben, die sympathische Kritik erfordern. Hier ist der Link:
http://simplicityinstitute.org/wp-content/uploads/2011/04/TransitionMovement.pdf
In den 1980er Jahren wurde es mir von der
Universität der Vereinten Nationen (Tokio) ermöglicht, eine partizipierende Forschungsstudie
über die damals noch neuen sozialen Bewegungen (NSM) in der
Bundesrepublik Deutschland zu machen – einschließlich einer
über den Ursprung, Entwicklung
und "Ende" Der Grünen (Partei).* Ich
denke, es könnte für alle politischen AktivistInnen nützlich
sein zu hören, welche Gedanken mir
– 30 Jahre später – während und nach der Lektüre des
soliden Papiers von Esther und Samuel durch den Kopf
gingen.
Ich
will nicht über die Punkte reden, bei denen ich mit Esther und Samuel
übereinstimme. Im Folgenden gehe ich auf einige andere Punkte ein, nur auf
solche, die die Autoren nicht in ihrem Papier behandelt haben,
die ich aber für die Entwicklung einer Strategie für die von uns gewünschten Veränderungen
als wichtig erachte. Sie beruhen auf meinen Studien sowie
auf meinen Erfahrungen in Indien und Deutschland – sowohl als
Aktivist als auch als Teilnehmer an
relevanten Diskussionen.
Probleme mit dem Ziel
1. Diskussionen über Strategie setzen voraus, dass die TeilnehmerInnen zumindest
grob einig über die Ziele sind,
die mit der Strategie erreicht werden sollen.
Das Ziel der TTM ist es, die Gesellschaft belastbar gegen
die Schocks zu machen, die uns bevorstehen und die teilweise schon im Gange sind. Spezifisch erwähnt werden das
Peak Oil, der globale Klimawandel und
die globale Finanz-und Wirtschaftskrise.
Viele andere, weniger wichtige Themen
werden auch erwähnt: Lokalisierung,
soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Einbeziehung von
verschiedenen sozialen Schichten etc. Sie sind sowohl Ziele als auch Mittel zur Erreichung des Hauptziels.
Das Papier von Esther &
Sam zeigt, wie problematisch der Belastbarkeitsdiskurs ist. Die TTM will die Gesellschaft belastbar
machen, damit sie nicht völlig zusammenbricht. Das Ziel ist nicht, das gegenwärtige
Gesellschaftssystem zu verändern, das nicht nur die
von der TTM anvisierten schockartigen Probleme
verursacht hat, sondern auch völlig ungeeignet ist für den Zweck. Es ist
darüber hinaus ein völlig ungerechtes
System. Das ist zu wenig und zu
schlecht. Ich behaupte, dass nichts
weniger als ein grundlegend neues Gesellschaftssystem das bestehende ersetzen
muss, damit die Menschheit die fraglichen Schocks erfolgreich überstehen kann.
Das bedeutet,
kurz gesagt, Bewegungen wie die TTM
sollten ein größeres Ziel verfolgen, das – abgesehen davon, dass
es groß und zweckmäßig ist – auch notwendig ist, um Menschen anzuziehen und sie zu inspirieren, sich der Bewegung anzuschließen.
Wir brauchen uns dafür nicht eine perfekt-ideale
Gesellschaft als Ziel zu setzen. Ein
Ideal wird wohl immer ein Ideal
bleiben. Aber eine akzeptabel gute und friedliche Weltgesellschaft ist möglich und kann
daher unser Ziel sein. (Diese Behauptung erfordert natürlich Ausarbeitung und ausführliche Diskussion.)
Sehr wichtig ist hier der Begriff Weltgesellschaft. Einen kleinen
Ort oder sogar ein Land (England,
Deutschland oder Italien) belastbar und
seine Gesellschaft gut und
friedlich zu machen und die
anderen zu vergessen, wäre kein
großes Ziel, sondern ein selbstsüchtiges – einer großen sozialen
Bewegung unwürdig. Zudem würden Bemühungen, so ein begrenztes Ziel zu erreichen, auch vergeblich sein.
Die Verdammten der Welt stürmen bei ihrer Suche nach einem sicheren Hafen bereits die Tore dieser und
ähnlicher Länder. Neo-Nazis
und fremdenfeindliche rechte/reaktionäre
Parteien sind bereits auf dem
Vormarsch in solchen Ländern.
Trotz dieser Kritik
lobe ich die TTM. Sie ist besser als die NSM
im Deutschland der 1980er Jahre. Die
Letztere war eigentlich ein Konglomerat
von mehreren Ein-Punkt-Bewegungen
und Kampagnen. Eine davon, die
Ökologiebewegung, war auch nur ein Konglomerat von verschiedenen und getrennten
Ein-Punkt-Bewegungen bzw. Kampagnen: die Anti-Atomkraft-Bewegung, die Bewegung gegen
Waldsterben, Bemühungen für eine bessere Luftqualität, Bemühungen für den
Schutz bedrohter Tierarten usw.
Im Vergleich zu diesen
hat die TTM ein breiteres
Spektrum von Zielen. Das ist schon ein Fortschritt. Andererseits ist die TTM schlechter
als die NSM, denn sie scheint
die Themen Konsum und
Wirtschaftswachstum zu meiden, die die meisten AktivistInnen
der NSM (insbesondere die der
Ökologie-Bewegung als Ganzes) für sehr
wichtig hielten. Aber das war vor der Mitte der 1980er Jahre, als die Opportunisten in den Grünen und in der NSM von der Möglichkeit der Ökologisierung der Industriegesellschaft – mithin des Kapitalismus – zu reden
begannen.
In den Grünen hatte eine große Anzahl von Linken (einschließlich Kommunisten) mit verschiedenen Hintergründen versucht, ökologische Ziele
mit ihren gesellschaftlichen Zielen
zu verbinden. Ihre langfristige Vision war eine Art ökosozialistische
Gesellschaft (der Begriff wurde
auch manchmal verwendet). Aber sie wurden nach
einigen Jahren von der opportunistischen
Mehrheit, die die Partei unbedingt zu
einer Regierungspartei machen wollte, aus der Partei verdrängt.
2. Eine andere Sache, die wir uns im
Kontext der Ziel-Frage merken müssen, ist dies: Die größte
Schwierigkeit, die Massen für eine genuine Ökologiebewegung zu gewinnen, ist ihr Ziel selbst. Die
Ökologiebewegung ist die einzige soziale Bewegung, die verspricht, falls
erfolgreich, den Lebensstandard von allen zu senken. Sie
verspricht auch Einschränkung von verschiedenen Freiheiten: zum Beispiel, die Reisefreiheit, die Freiheit, Luxusgüter
und von weit her importierte Güter zu konsumieren
(z.B. Ananas in Norwegen
zu essen), die Freiheit, eine eigene Zeitung herauszugeben (Papier wird ein knappes Gut sein) und, allgemein gesprochen, alle Freiheiten, die einen
hohen Grad an Ressourcenverbrauch erfordern.
Alle anderen sozialen Bewegungen, die davon
ausgehen, dass sich das Wirtschaftswachstum fortsetzen
wird, versprechen das Gegenteil, nämlich eine
Verbesserung in beider Hinsicht. In
der Tat, solange die Wirtschaft wächst, können regelmäßige höhere Lohnforderungen der Arbeiterbewegung
erfüllt werden. Auch ihre sonstigen Forderungen (z.B. Arbeitszeitverkürzung) können mehr oder weniger leicht erfüllt werden.
Wünschen der Bürgerrechtsbewegung
können stattgegeben werden, Frauen dürfen dann mehr Rechte genießen, Homosexuelle
dürfen heiraten, Einwanderern können
langfristige Aufenthaltsgenehmigungen gewährt
werden usw. usf. Aber die Ökologiebewegung
stellt sich dem Wirtschaftswachstum entgegen. Was für Ottonormalverbraucher noch schlimmer ist, sie tritt für
Wirtschaftsschrumpfung ein, für de-growth. Obwohl Millionen von Menschen um die schwere ökologische
Krise wissen, hat niemand je für Austeritätsmaßnahmen randaliert, wie Esther
und Sam schreiben. Ganz im
Gegenteil. Das ist auch der Grund dafür,
dass die Gewerkschaften Gegner Der Grünen in deren
frühen Jahren waren. Das erklärt auch,
dass die weniger entwickelten Länder, insbesondere China
und Indien, sich vehement weigern,
eine Verpflichtung einzugehen, ihre CO2-Emission zu
reduzieren.
3. Selbstverständlich kann diese Schwierigkeit dadurch überwunden werden, dass man Illusionen
von technologischer Lösung ökologischer Probleme (z.B. durch erneuerbare
Energien/Ressourcen) und, darauf basiert, Illusionen von nachhaltiger
Entwicklung, grünem Wachstum, grünem
Kapitalismus etc. verbreitet. Aber wahre Öko-AktivistInnen sind nicht (sollten nicht) daran interessiert (sein), ephemere
Gewinne an öffentlicher Unterstützung
auf der Basis solcher Illusionen zu
erzielen. Sie müssen die ökologische
Wahrheit sagen. Was können sie also
bieten, um mehr Unterstützung von durchschnittlichen
Menschen zu bekommen? Sie können die Aussicht auf eine friedliche, egalitäre, ausbeutungs- und unterdrückungsfreie Welt als Ausgleich
für einen niedrigeren Lebensstandard
bieten. Sie können bieten, dass in ihrer guten Gesellschaft niemand unfreiwillig
arbeitslos sein wird, dass niemand aus keinem
Grund benachteiligt sein wird, dass niemand von der Polizei
gefoltert werden wird. Das sind auch
materielle Dinge. Jede, die Arbeitslosigkeit oder materielle Unsicherheit erlitten hat,
jede, die mitten in einem Krieg oder Bürgerkrieg gelebt hat, jede, die die Bedrohung erlebt hat, aus ihrer Wohnung geworfen zu werden oder nicht in der Lage war, Prämien für eine Krankenversicherung zu
zahlen, versteht den Wert dieser
Sicherheitsgarantien. In einer
solchen Gesellschaft werden sie sich auch freier fühlen, Kritik an der
Regierungspolitik zu äußern. Natürlich
werden Unternehmer-Typen von Menschen, diejenigen, die etwas produzieren und
verkaufen, irgendetwas, oder mit
Aktien und Währungen spekulieren, um reich
zu werden, werden nicht von dieser
Vision angezogen sein. Wir müssen
sie halt ignorieren. Sie werden auch
im gegenwärtigen System von normalen
Menschen kritisiert.
Ich bin davon überzeugt, dass, um die Ziele der wahren Ökologen erreichen zu können,
der Kapitalismus überwunden und eine ökosozialistische
Gesellschaft aufgebaut werden müssen. (Für Details meiner Argumentation
siehe mein Buch Die nachhaltige Gesellschaft) **
4. Ein sehr wichtiger Punkt, den ich im Programm
der TTM (wie von E & S zusammengefasst) sowie in der Kritik davon vermisse, ist das Bevölkerungsproblem. In Europa und
anderen reichen Ländern des
Nordens (einschließlich Japan und Australien), ist es ein
allgemeiner blinder Fleck bei Diskussionen über die Ökologiekrisen
und Fragen der Armut. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Zum einen gibt es das Problem in diesen
Ländern nicht mehr. Und zweitens
haben die politischen AktivistInnen dieser Länder Angst, es zu erwähnen Denn die Menschen in den
weniger entwickelten Ländern, wo die Bevölkerung immer
noch wächst und wo zumal die meisten Menschen schwarz und braun
sind, werden bei Erwähnung dieses Problems wütend. Schließlich genießen
ja die Öko-AktivistInnen des Nordens,
die allermeisten von ihnen jedenfalls, ihren hohen Lebensstandard ohne
Bedenken. Und sie tun ja auch nicht ihr Bestes. den
Planeten zu retten. Aber kein Programm für die Rettung des Planeten ist überzeugend, wenn nicht auch das Bevölkerungsproblem angesprochen wird.
Probleme mit der Strategie
5. Ich teile die Meinung der TTM,
dass derzeit nicht viel von den Staaten und den regierenden Politikern zu erwarten ist. Letztere haben hauptsächlich ihre Karriere im Sinn. Derzeit wird in einer Demokratie, wie
wir sie bei uns haben, jede Politikerin abgewählt, wenn sie es wagt, von der
Notwendigkeit eines Wachstumstops zu reden, erst recht, wenn sie für Wirtschaftsschrumpfung plädiert. Auch diejenigen, die nicht an der Macht sind, wollen wiedergewählt werden.
Politik ist halt ihr Beruf. Das heißt, auch sie werden nicht gegen
Wirtschaftswachstum kämpfen. Die
einfache Wahrheit ist, dass die große Mehrheit der
Wähler nicht besser sind als die
Politiker. Und ein Volk bekommt die PolitikerInnen, die es verdient. Aber einige Leute müssen dies tun,
d.h. die ökologische Wahrheit sagen. Man mag es ihnen
übel nehmen, dass sie sich als die Avantgarde vorstellen. Aber nichts wird passieren, wenn nicht eine Avantgarde die
Initiative ergreift.
Damit
sie wirklich frei bleiben, die ökologische
Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit und nichts als die
Wahrheit, müssen solche Menschen frei
sein von der Versuchung und/oder
Notwendigkeit, sich ihre Projekte von etablierten Stiftungen oder Behörden finanzieren zu lassen,. Die ökologische Wahrheit und die logischen und zwingenden Vorschläge zur Lösung der
Probleme müssen weit verbreitet werden, so dass in ein paar
Jahren ihre intellektuelle und publizistische Hegemonie im Sinne Gramscis
erreicht werden kann (Gramsci sprach von kultureller Hegemonie). Die AktivistInnen der TTM
scheinen das nicht zu tun, zumindest
nicht im Moment. Sie sind Opfer von einigen Illusionen,
die sie selbst verbreiten.
Ich denke, je mehr sich die Krisen verschärfen, desto möglicher/wahrscheinlicher
wird die Hegemonie unserer Analyse und Lösungsvorschläge.
Wenn die intellektuelle und publizistische Hegemonie
erreicht worden ist, wird sie sich etwa in
Sätzen wie diesem manifestieren: Ja,
Sie haben recht mit Ihren ökologischen
Wahrheiten, aber was kann ich tun?
Ich bin ja nur ein
kleiner Mensch. Wir können dann
hoffen, dass die Wähler solche PolitikerInnen wählen (oder keine
abwählen) würden, die Meinungen äußern, die wahre Ökologen
vertreten. Später werden wir wohl
Grund zur Hoffnung haben, dass, egal welche PolitikerInnen
und welche Parteien an die Macht
kommen, die parlamentarische Mehrheit sich nicht davor scheuen würde, Gesetze im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit zu verabschieden.
Diese Hoffnung kann mit der heutigen Situation verglichen werden:
Egal, welche PolitikerInnen und welche Parteien ein
Land regieren, die Regierung verfolgt eine Politik der neoliberalen
kapitalistischen Globalisierung, weil
diese Politik in den frühen 1990er Jahren die Hegemonie über
das ökonomische Denken gewonnen hat und, trotz
vielfältiger Krise, kein bisschen schwächer geworden ist.
Das sind Ideen für die Übergangszeit. All
dies kann zu lange dauern, in
welchem Fall der Kollaps nicht verhindert werden kann. Aber eine bewaffnete Revolution
ist nicht mehr möglich, da die gut
bezahlten und gut bewaffneten
Berufssoldaten und Polizisten der herrschenden Klassen (auch die von fremden Mächten) bereit sind, wenn befohlen, Revolutionäre
und gewöhnliche Aufständische zu töten. Der
kommende Kollaps wird wahrscheinlich zu einer Art Diktatur führen,
wahrscheinlich zu einer der Faschisten und Reaktionären. Sie werden versuchen, die Probleme auf ihrem eigenen Weg und mit ihren eigenen Methoden anzugehen, und sie werden sich dabei nicht
um den Zustand des Planeten, das Wohlergehen der künftigen Generationen
etc. kümmern.
6. Im Gegensatz zu meiner Top-down-Strategie, – nämlich, zuerst die intellektuelle
und publizistische Hegemonie erreichen, die hoffentlich dazu führen wird, dass eine
wachsende Zahl von Abgeordneten der
Regierungsparteien, unsere Analyse und Ideen
akzeptieren – gibt es auch Bottom-up-Strategien für den Wandel. Die Strategie der TTM für den Aufbau von Belastbarkeit auf lokaler Ebene ist ein konkretes Beispiel
davon. Aber TTMs
Ziel ist es nicht, einen Systemwandel zu bewirken. Darum wird es leicht sein, sie zu kooptieren (wenn das nicht schon geschehen ist). In der Tat können alle reformistischen
Bewegungen für diese oder jene Veränderung
kooptiert werden. Die Geschichte ist voll von Beispielen für diesen Prozess. In Deutschland sind heute sowohl die Reste der NSM (die
großen Umweltverbände) als auch die Partei Die
Grünen Partner der
herrschenden Klassen und Stützen ihres Systems.
In den 1980er Jahren
gründeten in Deutschland revolutionäre
junge Menschen mehrere Kommunen – sowohl in ländlichen als auch in
urbanen Gebieten. Sie lebten und
arbeiteten dort zusammen (in den studentischen
Kommunen waren jedoch Theorien diskutieren und psychische
Probleme analysieren die Haupttätigkeit). Die Idee war, die
kommunistische
Gesellschaft der Zukunft in Kleinem vorwegzunehmen
oder zumindest auszuprobieren. Das war also, anders als die
Ein-Punkt-Bewegungen von damals, ein großes Ziel. Aber die große Mehrheit von
ihnen scheiterten schon bald. Die
meisten von ihnen waren auch keine Beispiele einer selbstständigen, selbstorganisierenden
wirtschaftlichen Basiseinheit. Sie waren
alle gut in einem reichen Wohlfahrtsstaat
eingebettet. Viele der
Kommunenmitglieder erhielten Transferleistungen vom Staat. Solche Gründungen waren also keine
Antwort auf eine Notlage bzw. Herausforderung. Was ich damit sagen
möchte, ist, dass es wenig Sinn macht, sie als eine erfolgversprechende
Strategie für unsere heutige
politische Arbeit zu betrachten.
Ted Trainers kleine, großteils selbstversorgende, selbstorganisierende,
anarchistische (radikaldemokratische) Gemeinschaften müssen
aber selbständig, d.h. finanziell vom Staat oder anderen
Organisationen unabhängig, sein. Denn Ted stellt sie
sich als aufkommende positive Reaktionen auf den (drohenden) Zusammenbruch des Staates vor. Es scheint mir, dass Ted denkt,
der Kollapse sei unvermeidlich. Ich
würde lieber noch versuchen, ihn durch
meine Strategie zu verhindern.
Aber es ist wahr, die Menschheit hat
nicht mehr viel Zeit für die Rettungsarbeit.
Deshalb ist es vernünftig, sich an
beiden Enden gleichzeitig zu engagieren, an der Oberseite als auch an der Unterseite.
Zumindest in der
Gegenwart und in der nahen Zukunft wird keine Gemeinschaft
wirklich selbstversorgend sein können.
Wir leben nicht in
den Amazonas-Dschungel und möchten auch nicht dort leben. Alle Gemeinschaften müssen die Dinge, die sie
nicht selbst produzieren können, importieren, selbst
ganz einfache Dinge wie Salz oder Stein,. Darum muss irgendeine Art Warentausch zwischen mehr oder weniger
fernen Orten stattfinden. Dann muss auch ein Staat oder
eine staatsähnliche Organisation da
sein, um den Tausch zu regulieren und für Ordnung zu
sorgen. Es wäre gut, wenn diese Organisation eine sozialistische wäre.
Denn, wenn der Zusammenbruch geschehen ist,
wird es notwendig sein, alles Knappe zu teilen, was zur Verfügung steht. Deshalb wäre es gut, schon in der Gegenwart eine
öko-sozialistische Perspektive zu
fördern und egalitäres Denken zu
stärken. Diese sind zudem inspirierende Ideen, wie wir aus der Geschichte wissen. Wir sollten uns auf den Kollaps und
nachfolgende Aktionen vorbereiten. Wir müssen schon fertig sein mit einer überzeugenden Perspektive und einem Aktivitäten-Plan,
wenn der Kollaps da ist.
7. Ein letzter Punkt: Können Individuen als Individuen etwas tun? Das heißt, können sie etwas zur Rettung des
Planeten beitragen? Und dazu, die menschliche Gesellschaft dadurch etwas besser und friedlicher zu machen? Es wurde oft
gesagt, dass Konsumverzicht ein wirksames Mittel zur
Erreichung unseres Zieles ist, wenn Millionen das tun. Der große Vorteil dieser Strategie ist, dass, eine Person ihren Konsum reduzieren kann, ohne dass dafür
ein Gesetz verabschiedet werden muss. Und sie braucht
dazu auch kein Geld von den Eltern oder
Großspendern, ohne das Bottom-up-Projekte wie Landkommunen, Öko-Dörfer usw. nicht beginnen können. Viele sensible
Öko-Freunde praktizieren schon diese
Konsumverzichtsstrategie. Sie kann auch eine
Einfacher-Lifestyle-Strategie bezeichnet
werden.
Allerdings gibt es auch Grenzen dessen, was sogar eine entschlossene Konsumverzichterin tun kann. Von den Zwängen, die uns die heutige kapitalistische Industriegesellschaft auferlegt, gibt es
viele. Zum Beispiel muss man heute
einen PC mit Internet-Verbindung haben,
um überhaupt in der Lage zu sein, mit
Verwandten, Freunden und Genossen zu kommunizieren. Selbst die gute alte Telefonie fügt der Umwelt jede Menge Schaden zu. Und eine
Person, die in einem Dorf lebt, muss ein Auto haben. Zwei Bereiche, in
denen eine Person mehr Spielraum hat, sind Nahrung und Kleidung. Aber, beispielsweise, auf Fleisch zu verzichten,
ist für eine Westlerin sehr schwierig, und auf zuckerige Snacks zu verzichten, ist sehr schwierig für eine Bengalin. Schließlich wäre es keine glückliche Welt, wenn Menschen
selbst bei einer so elementaren Sache des Lebens wie Essen
unglücklich sind. Das ist alles richtig. Dennoch kann es nicht bestritten
werden, dass eine weitweite Konsumverweigerungsbewegung
eine gewisse Wirkung auf Politik und Wirtschaft haben würde. Öko-AktivistInnen
müssen jedoch davon absehen, Freunde und Verwandte wegen ihrer Ökosünden zu nörgeln. Das ist der sicherste Weg, Sympathisanten zu verlieren. Lass jede
tun, was sie kann, und hoffen, dass andere ihrem Beispiel nacheifern.
------------- OOOO -------------
*Green-Alternative Politics in West Germany:
Vol.1.
The New Social Movements
Vol.2.
The Greens
Beide Bände veröffentlicht von The United Nations University
Press, Tokyo, 1993 & 1994.
**Die nachhaltige
Gesellschaft – eine kritische Analyse der Systemalternativen. Zürich, Rotpunktverlag. (vergriffen;
beim Autor sind noch einige Exemplare erhältlich. Auch als book on demand erhältlich bei SVH-Verlag, Saarbrücken).